Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

«Bewertungen in Europa sind zu tief»

Laut Rob Arnott bieten Schwellenländer eine fast einmalige Kaufgelegenheit.

Herr Arnott, welches sind derzeit die günstigsten Aktienmärkte? - Europa und die Schwellenländer. In Europa liegt das zyklisch adjustierte Kurs-Gewinn-Verhältnis nach der Methode von Professor Robert Shiller bei 13, das der Schwellenmärkte noch tiefer. Das ist ein enormer Abschlag gegenüber den überteuerten US-Märkten, wo das Shiller-KGV 28 beträgt.

Was ist mit dem japanischen Markt, der bei Investoren wieder mehr Anklang findet? - Mit einem Shiller-KGV von über 20 ist Japan weder teuer noch billig. Eingepreist ist ein reifer Markt mit wenig Wachstumspotenzial. Japan hat aber ein enormes demografisches Problem. Und dazu kommt ein riesiger Schuldenberg. Ich sehe keine Alternative ausser einer massiven Yen-Abwertung, die die Kaufkraft der Renten reduziert. Das wird sehr schmerzhaft, doch es fehlen schlicht die Erwerbstätigen, um in zwanzig Jahren für die Renten aufzukommen. Japans Probleme sind grösser als jene von Europa. Es gibt keinen Grund, weshalb die Aktien teurer sein sollten.

In Europa sind die Rechtspopulisten auf dem Vormarsch. Sie sind gegen die EU und gegen den Euro. Das ist doch ein ernst zu nehmendes Risiko, das die Bewertung zu Recht nach unten drückt. - Die politische Unsicherheit rechtfertigt diese Bewertungsschere zu Japan und den USA in keiner Weise. Die populistische Gegenreaktion ist ein Tatsache, aber sie wird nichts daran ändern, wie reich oder arm die Volkswirtschaften in zehn Jahren sein werden. Die Populisten werden nicht so grossen Schaden anrichten. Sie wühlen die Politik auf, doch fundamental ändert sich wenig. Trump wird bei weitem nicht so schlimm sein, wie seine Gegner befürchten, aber auch nicht das erreichen, was seine Anhänger von ihm erhoffen.

Anders als die USA droht die EU auseinanderzufallen, wenn nationalistische Kräfte die Oberhand gewinnen. - Die zentrale Frage ist: Wird Europa in zehn Jahren in einer wirtschaftlichen Misere stecken? Warum sollte es? Die EU wird es immer noch geben, wahrscheinlich mit weniger Mitgliedern. Ob es den Euro noch gibt, ist schwer zu sagen. Wenn er überlebt, wäre ein Shiller-KGV zwischen 16 und 18 gerechtfertigt. Zusammen mit der Dividendenrendite und dem Gewinnwachstum würde das zweistellige Aktienerträge bedeuten.

Und wenn der Euro nicht überlebt? - Im anfänglichen Chaos würde das KGV noch tiefer fallen. Aber auf den Absturz wird eine Erholung folgen, und in zehn Jahren werden Anleger mit europäischen Aktien nicht viel schlechter dastehen als im Falle eines Fortbestehens des Euros.

Die Schwellenmärkte haben sich letztes Jahr erholt. Ist der Zug für Anleger nicht längst abgefahren? - Auch nach der jüngsten Erholung sind sie mit einem Shiller-KGV von 12 billiger als in den dunkelsten Stunden der Finanzkrise. Emerging Markets bieten eine Konstellation, die sehr selten vorkommt: Eine günstige Bewertung, tief gefallene Währungen und ein kräftiges Momentum.

Gilt das auch für Schwellenländerbonds? - Anleihen in lokaler Währung sind ebenfalls attraktiv. Nach einem fünfjährigen Bärenmarkt sind Schwellenländerwährungen sehr günstig. Gegenüber dem nach der Kaufkraftparität ermittelten fairen Wechselkurs sind sie trotz der jüngsten Erholung noch rund 20% unterbewertet.

Es braucht viel Mut, jetzt Peso- oder Lira-Bonds zu kaufen. - Die Marktteilnehmer machen sich um die Währungen am meisten Sorgen, wenn sie abgestürzt und tief bewertet sind. Was hingegen Gewinne gebracht und Freude bereitet hat, macht ihnen keine Angst. Es sollte aber genau umgekehrt sein.

Es gibt meist gute Gründe, weshalb eine Anlage niedrig bewertet ist. - Schnäppchen existieren nicht, wenn es nicht auch einen objektiv legitimen Grund gibt, der gegen ein Engagement spricht. Auf ein Schnäppchen zu verzichten, weil es so viele schlechte Nachrichten gibt, ist jedoch unlogisch. Denn genau wegen der schlechten Nachrichten ist das Wertpapier ja so billig. Es braucht Überwindung, in tief gefallene und unterbewertete Anlagen zu investieren, weil sie Verluste verursacht haben und damit negativ belastet sind.

Und was tun Sie, wenn die Bewertung noch tiefer fällt, bevor die Erholung einsetzt? - Das grosse Risiko bei einem solchen Contrarian-Ansatz ist, dass man zu früh kauft. Deshalb ist es sinnvoll, die Allokation schrittweise zu erhöhen. Wenn der Markt billig ist, muss man zuerst nur ein bisschen kaufen, wenn die Bewertung noch weiter sinkt etwas mehr und dann noch einmal. So haben Sie das maximale Exposure, wenn der Markt dreht. Das Schöne an dieser Strategie ist, dass es keine vollständige Kurserholung braucht, um die anfänglichen Verluste wettzumachen.

Und wenn die Kurse und Bewertungen immer weiter sinken? - Wer allein nach Bewertungskriterien investiert, läuft Gefahr, in eine Value-Falle zu tappen, bei der die Bewertungen bis zum Nullpunkt sinken. Die Bewertung ist niedrig, man kauft, aber sie fällt noch tiefer, und man kauft noch mehr. Der Schaden wird immer grösser. Doch solche Bewertungsfallen lassen sich mit wenigen Qualitätskriterien herausfiltern.

Mit welchen? - Eine wichtige Kennzahl ist die Schuldendeckungsquote. General Motors Bruttogewinn zum Beispiel war 1999 kaum doppelt so hoch wie die Zinsaufwendungen. GM war also schon zehn Jahre vor der Pleite in ernsten Schwierigkeiten und hätte die Qualitätskontrolle nicht bestanden.

Das Gegenteil Ihres Investmentansatzes wäre, auf Aktien von soliden Unternehmen mit stetem Gewinnwachstum zu setzen, ungeachtet der hohen Bewertung. Was spricht dagegen? - Die guten Gewinnaussichten sind im Kurs enthalten. Anleger bezahlen einen hohen Preis für vermeintlich sicheres Wachstum. Umso grösser ist das Risiko einer Enttäuschung. Schon ein kleiner Unfall reicht. Längerfristig wird die Bewertung zum Marktmittel zurückkehren.

Sie ignorieren Titel wie Nestlé einfach? - Nein, solche Schwergewichte gehören in ein diversifiziertes Portfolio. Aber wenn die Bewertung deutlich über das Niveau der Konkurrenz gestiegen ist, freue ich mich über die Kursgewinne und reduziere das Gewicht. Egal wie stabil Nestlés Geschäftsaussichten sind, die Erwartungen der Markteilnehmer bezüglich der Gewinne sind es nicht. Mit einem disziplinierten Ansatz lässt sich diese Volatilität ausnutzen. Das heisst: Aktien zurückstutzen, deren KGV gestiegen ist, und Positionen aufbauen, wenn die Bewertungen gefallen sind.

Vergangenes Jahr haben Value-Aktien zum ersten Mal seit neun Jahren Wachstumsaktien geschlagen. Ist die Zeit für Value gekommen? - Wenn Value durch eine so lange Durststrecke geht, ist die Chance gross, dass ein mehrjähriger Bullenmarkt folgt. Ich weiss nicht, wann es so weit ist, aber ich glaube, solche Rebounds wie im letzten Jahr werden von nun an öfters vorkommen. Fakt ist: Value ist extrem günstig, der Abschlag zu Wachstumstiteln riesig.

US-Aktien sind weitaus am teuersten. Was empfehlen Sie Anlegern, die in den USA investieren wollen oder müssen? - Sie sollten auf eine alternative Gewichtung mit mehr Value-Aktien setzen. In einem Index nach Börsenkapitalisierung sind Anleger automatisch in den hoch bewerteten Aktien übergewichtet und in den niedrig bewerteten untergewichtet. Unser Index gewichtet die Titel nach der Grösse des ökonomischen Fussabdrucks und weicht daher deutlich vom S&P 500 ab. Die grösste Position in der RAE-Strategie, die wir mit Pimco entwickelt haben, ist nicht Apple, sondern ExxonMobil. Der IT-Sektor ist leicht untergewichtet. Wegen des Qualitätsfilters sind auch Finanzaktien leicht untervertreten. Energieaktien sind mit 13% gegenüber 7,5% im Index unsere grösste Wette. Das grösste Untergewicht haben wir in den Sektoren Basiskonsum und Gesundheit.

Vor genau einem Jahr warnten Sie vor gefährlichen Überbewertungen gewisser Smart-Beta-Strategien wie Low Volatility, die auf schwankungsarme Aktien setzt. Im Sommer brachen die Kurse ein. Ein Zufall? - Dass es so schnell gehen würde, hätte ich nicht gedacht. Doch die Fehlentwicklung war offensichtlich. Vor dem Kurseinbruch waren Low-Vol-Strategien 40% höher bewertet als der Gesamtmarkt.

Sie hatten aber zuvor während Jahren überdurchschnittliche Renditen bei niedriger Volatilität gebracht. - Genau das hat die Investoren angezogen und die Bewertungen nach oben getrieben. Mit Strategien ist es wie mit einzelnen Aktien: Die Anleger jagen den Kursgewinnen hinterher und die Bewertungen steigen. Doch irgendwann zieht sie die Schwerkraft auf den Mittelwert zurück. Wir konnten zeigen, dass die gute Performance der Low-Volatility-Strategien einzig von der Höherbewertung stammte. Es gab nie eine strukturelle, marktunabhängige Mehrrendite.