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«Der Aufschwung geht weiter»

«Solange dem Fed kein grosser Fehler unterläuft, gibt es keine Basis für einen plötzlichen Kursverfall am Aktienmarkt»: John Greenwood, Chefökonom von Invesco.

Herr Greenwood, wo sehen Sie 2018 die grössten Ertragschancen? - Die Weltwirtschaft wird auch im kommenden Jahr gut laufen, und deshalb sollte die Betonung auf Risikoanlagen liegen – Aktien, Immobilien.

Das Fed erhöht die Zinsen und schrumpft die Bilanz. Erhöht das nicht die Gefahr einer Korrektur am Aktienmarkt? - Solange dem Fed kein grosser Fehler unterläuft, gibt es keine Basis für einen plötzlichen Kursverfall am Aktienmarkt.

Was wäre denn ein solcher Fehler? - Wenn das Fed mit der Reduzierung seiner geblähten Bilanz zu rasch vorginge. Im laufenden Quartal ist eine Rückführungsgeschwindigkeit von 10 Mrd. $ pro Monat vorgesehen, die sich in den nächsten Quartalen um je 10 Mrd. $ erhöht, bis im vierten Quartal 2018 das Maximum der monatlichen Reduzierung von 50 Mrd. $ erreicht ist.

Das könnte zu viel sein? - 50 Mrd. $ pro Monat addieren sich auf 600 Mrd. pro Jahr. Der private Sektor in den USA muss also zusätzliche 600 Mrd. $ an Wertpapieren absorbieren, die bis dato das Fed aufkaufte. Bei diesem Umfang besteht das Risiko, dass der Anleihenmarkt am langen Ende unter Druck gerät.

Kann der US-Privatsektor dieses Volumen stemmen? - Die abtretende Fed-Chefin Janet Yellen vertritt die Meinung, dass dieses Absorbieren ziemlich geräuschlos ablaufen kann, ohne negative Auswirkung auf den Markt. Das halte ich für optimistisch. Allerdings kann das Fed bei Bedarf immer noch die Geschwindigkeit der Bilanzschrumpfung verringern. Die Optimisten argumentieren, das US-Schatzamt emittiere ja nicht nur langlaufende Bonds, sondern auch sehr viele Kurzläufer, und die würden vor allem von den Banken gekauft. Ich bin skeptisch, dass die Banken so viele T-Bills kaufen werden.

Sie halten die lockere Geldpolitik des Fed für viel wirksamer als jene der EZB. Warum? - Die Notenbanken richten ihre Geldpolitik nicht an der Geldmenge aus, sondern am Zinsniveau. Die Prognosen der Zentralbanken zur Wirtschaftsentwicklung basieren auf Modellen, die von Zinsen getrieben werden.

Wie funktionieren diese Modelle? - Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung wird als Funktion der Zinsentwicklung abgeleitet. Andere Faktoren spielen auch eine Rolle, aber wesentlich für das Ergebnis ist, was mit den Zinsen geschieht.

Das Credo ist also: runter mit den Zinsen, damit die Wirtschaft prosperiert? - Genau, die Höhe der Zinsen ist für die Notenbanken ausschlaggebend. Die Steuerung der Geldmenge war von untergeordneter Bedeutung.

Warum also funktionierte das in den USA besser als in der Eurozone? - In der Eurozone herrscht die Ansicht vor, die Liquidität des eigenen Kapitalmarktes könne mit dem US-Pendant nicht mithalten. Deshalb konzentrierte sich die EZB  mit dem Anleihenkaufprogramm auf die wichtigsten Kreditgeber, die Banken. Die EZB kaufte den Grossteil ihrer Anleihen – im Gegensatz zum Fed – von den Banken.

Weshalb spielt es eine Rolle, von wem die EZB die Anleihen kauft? - Es kommt auf die Gegenpartei an, von der eine Zentralbank Wertpapiere ankauft. Während sich die EZB auf Banken als Gegenpartei beschränkte, erwarben das Fed und die Bank von England ihre Wertpapiere grösstenteils von Nichtbanken.

Was ist der Vorteil, wenn die Notenbank die Anleihen von den Nichtbanken kauft? - Diese Transaktionen haben zwei Effekte. Die Nichtbanken haben mit den Verkäufen neue Barmittel bekommen, die Geldmenge hat zugenommen.

Der zweite Effekt… - …ist, dass die Banken ihre Kreditvergabe zurückfahren können, und Kreditnehmer wie Nichtbanken, private Haushalte usw. können ihre Verschuldung ebenfalls abbauen. Die Anleihenkäufe der Notenbanken bei Privaten tragen also zum Schuldenabbau bei, aber sie verringern die Geldmenge nicht.

Und bei den EZB-Transaktionen ist das nicht der Fall? - Die EZB und die Bank von Japan kauften Papiere fast ausschliesslich von Banken. Diese erhielten so neue Reserven, aber auf die Geldmenge hatte das keinen Einfluss.

Der gewünschte Stimulus blieb in Europa weitgehend aus? - Damit die Geldmenge in der Eurozone oder in Japan wächst, müssen die Banken mehr Kredite vergeben. Das tun sie aber nicht oder nur ungenügend. Die Ausleihungen der Banken in Europa wachsen derzeit nur etwa 2%. Das reicht nicht.

Wird der Ausstieg der EZB zum Problem? - Die EZB ist noch weit davon entfernt, ihre Bilanz zu schrumpfen. Falls die EZB und die nationalen Zentralbanken den Banken ihre Anleihen wieder verkaufen können, wird das den Angebotsdruck vom Markt nehmen.

Sie sind recht optimistisch, was die Dauer des Aufschwungs global betrifft. Haben wir noch ein paar fette Jahre vor uns? - Ja, der Zyklus expandiert noch, eine Kontraktion sehe ich noch nicht.

Was bedeutet das für Anleger, gibt es strategischen Anpassungsbedarf? - Es kommt darauf an, wo sie sich befinden. In Europa halten Anleger exzessiv hohe Bestände an Anleihen. In der Vergangenheit war es in einer Aufwärtsphase des Konjunkturzyklus besser, mehr Aktien und Immobilien zu haben. Um eine höhere Aktien- oder Immobilienquote kommen Europäer nicht herum – trotz der bereits hohen Bewertungen.

US-Präsident Trump verfolgt eine protektionistische Agenda. Ist das ein Risiko? - Trump verfolgt einen anachronistischen Ansatz, um Arbeitsplätze zu schützen. Er wird den Trend, dass in der Industrie Arbeitsplätze verloren gehen, nicht aufhalten. Aber nicht nur Trump macht in Protektionismus, auch Europa. Deutschland etwa schützt seine Autoindustrie. Offiziell gilt die EU als gemeinsamer Markt.

Die EU setzt doch auf freien Warenverkehr. - Das stimmt nicht, die EU ist ein geschützter Markt für Agrar- und viele Produktionsgüter, die am Weltmarkt billiger zu haben wären. So müssen sich aussereuropäische Hersteller in jedem einzelnen EU-Mitgliedsland um Zulassungen bemühen. Statt die eigenen Schlüsselindustrien vor Billigkonkurrenz abzuschotten, sollte man lieber für mehr Wettbewerb sorgen – zum Wohle der Verbraucher. Protektionismus hat noch nie funktioniert und wird es auch künftig nicht.

Sehen Sie mittelfristig grössere Bewegungen bei den Hauptwährungen? - Die grösste Überraschung 2017 war der Dollar. Zu Beginn glaubte jeder an ein Erstarken – das Fed würde ja die Leitzinsen anheben, während sich die EZB noch dem QE verschrieben hatte. Entsprechend hatten sich viele Anleger positioniert und Ende 2016 fleissig Dollar gekauft.

Und dann? - Kam die grosse Überraschung: Die Eurozone wuchs stärker und nachhaltiger als erwartet. Das erklärt den bis heute starken Euro. Vielleicht schwächt sich das Wachstum in Europa 2018 etwas ab, und das Fed kürzt die Bilanz weiter – sodass sich am Ende die Wechselkursrelation Dollar-Euro oder Dollar-Yen nachhaltig stabilisiert.

Was ist mit dem britischen Pfund – ist der Brexit bereits vollständig eingepreist? - Es wird im Pfund wohl keinen weiteren Brexit-bedingten Ausverkauf mehr geben. Die britische Valuta wird kaum noch einmal unter 1.20 $/£ fallen. Zum Euro sollte sie sich mittelfristig im Korridor 0.80 £/€ bis 0.90 £/€ etablieren. Ich schliesse aber auch eine weitere Schwächeepisode des Pfunds nicht aus. Für einen solchen Fall kann man vorsorgen und das Portfolio mit Aktien von exportorientierten britischen Unternehmen bestücken.

Was halten Sie von Bitcoin und anderen Kryptowährungen? Ist das die Zukunft? - Wer Geld in volatilen Rohstoffen anlegen will, kann auch in Bitcoins investieren. Dies alles werden nie Währungen im eigentlichen Sinn, die drei Funktionen zu erfüllen haben: Sie müssen ein weit verbreitetes Tauschmittel, ein wertbeständiges Speichermedium und als Verrechnungseinheit allgemein akzeptiert sein.

Bitcoin & Co werden diesen Anforderungen nicht gerecht? - Kryptowährungen eignen sich nur für eine begrenzte Anzahl Transaktionen. Auch sind die Transaktionskosten sehr hoch. Ferner lässt sich das in Cyberwährungen erfasste Volumen nicht skalieren. Die heutigen Clearingsysteme wickeln täglich Milliarden Transaktionen in den verschiedensten Währungen ab – sehr schnell und zu sehr niedrigen Kosten. Bitcoins können da nicht mithalten. Auch sind sie für ein wertbeständiges Speichermedium viel zu volatil.