Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Der ungenutzte Schweizer Staatsfonds

Wenn immer in der Schweiz der Begriff Staatsfonds fällt, steht er derzeit meist im Zusammenhang mit den Devisenreserven der Nationalbank. Doch in der öffentlichen Diskussion geht meist vergessen, dass das Land bereits einen Staatsfonds besitzt – allerdings einen, der nicht diesen Namen trägt und nicht zentral verwaltet wird: das Pensionskassensystem.

Seit 1985 gilt in der Schweiz die staatlich mandatierte Sparpflicht im Rahmen der zweiten Säule. Im Lauf von gut drei Jahrzehnten hat sich dabei ein Sparkapital von etwas mehr als 800 Mrd. Fr. angehäuft, das von knapp 2000 einzelnen Vorsorgeeinrichtungen verwaltet wird. Pensionskassen haben einen Anlagehorizont von mehreren Jahrzehnten und könnten – zumindest in der Theorie – mit einer langfristigen Perspektive investieren.

Doch ist das in der Praxis der Fall? Die durchschnittliche Pensionskasse – als Annäherungswert dient der PK-Index der Credit Suisse – hat gegenwärtig gut 30% ihres Vermögens in Anleihen investiert. Weitere 24% entfallen auf Immobilien und gut 31% auf Aktien – davon etwas mehr als die Hälfte im Ausland.

Diese drei Anlageklassen machen also den weitaus grössten Teil des angesammelten Sparkapitals der Schweiz aus. Der Rest entfällt auf Barmittel (5%) und alternative Anlagen (6%), wovon wiederum ein Grossteil in Hedge Funds und Rohstoff-Anlagen gebunden ist. Diese Allokation entspricht gängigen Standards in der Geldanlage. Doch ist sie aus volkswirtschaftlicher Sicht auch sinnvoll?

Aus mehreren Blickwinkeln sind Zweifel angebracht. Das erste Problem liegt im Bondmarkt: Anleihen bilden traditionellerweise den Hauptbestandteil eines PK-Portfolios, weil sich ihr Fälligkeitsprofil mit den Verbindlichkeiten der Kasse spiegeln lässt. Doch der Bondmarkt hat eine rund dreissigjährige Hausse hinter sich; die für die Zukunft zu errechnenden Renditen liegen auf einem rekordniedrigen oder sogar negativen Niveau.

Wenn die Zinsen steigen, drohen den Vorsorgeeinrichtungen Buchverluste auf ihren Bonds. Diese Gefahr wird möglicherweise unterschätzt, weil die meisten Pensionskassen eine ungeeignete Definition von Risiko benutzen: Sie achten auf die historisch beobachtete Volatilität – - die Schwankungsbreite der Preise – als Risikomass. Doch die geringe  historische Volatilität am Bondmarkt sagt nichts über künftige Verluste mit Anleihen aus.

Das zweite Problem liegt im Immobilienmarkt. Diese Anlageklasse hat im Verlauf der vergangenen Jahre den grössten Zufluss aus den PK-Vermögen verzeichnet. Immobilien sind eine Langfristanlage mit stabilen – wenngleich auch nicht mehr überdurchschnittlich hohen – Renditen. Doch die vom Anlagenotstand getriebene Investitionstour der Pensionskassen im Schweizer Immobiliensektor zeigt volkswirtschaftlich unerwünschte Nebeneffekte: Das Preisgefüge überhitzt, Wohnraum wird teurer.

Aktien schliesslich wären theoretisch die perfekte Anlage für PK, weil sie einen langen Anlagehorizont besitzen und Aktien historisch über lange Zeiträume betrachtet die höchsten Renditen abwerfen. Doch die Aktienmärkte sind hoch volatil, und die Regulierung in der Schweiz verunmöglicht es den Pensionskassen, mit kurzfristiger Volatilität umzugehen – geschweige denn sie zu ignorieren.

Das Hauptproblem der genannten drei Anlageklassen: Das Sparkapital der Schweiz fliesst in grösstenteils bereits bestehende Anlagen respektive in Schulden. Das Geld generiert damit kaum realwirtschaftliche Wertschöpfung für das Land. Direktanlagen in Risiko-Eigenkapital (Venture Capital) von inländischen Unternehmen sind in der Allokation von Schweizer PK nahezu inexistent. Dabei würden gerade diese Anlagen – sofern sie professionell und diversifiziert erfolgen – überdurchschnittlichen volkswirtschaftlichen Nutzen stiften.

Henri B. Meier, der frühere Finanzchef von Roche, hat zu diesem Zweck das ­Projekt Zukunftsfonds Schweiz ins Leben gerufen, mit dem er die Pensionskassen animieren will, wenigstens 1% ihres Vermögens in Venture Capital zu investieren. Das Projekt verdient Unterstützung.