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«Das Fed wird gegen Ende Jahr die Zinsen erhöhen»

Der Handelsstreit verursache viel Lärm um nichts und das Fed erhöhe die Zinsen, sagt die Anlagechefin von Franklin Templeton. 

Frau Desai, jüngst sind die Erwartungen für das globale Wirtschaftswachstum erneut nach unten revidiert worden. Was heisst das für die Finanzmärkte? - Seit der Finanzkrise ist das globale Wirtschaftswachstum weitgehend stabil geblieben, aber die Prognosen haben sich deutlich bewegt. Diesmal hat der Internationale Währungsfonds IWF seine Prognosen heruntergestuft, zuvor war er recht optimistisch.

Sind die Sorgen in Bezug auf das Wachstum also übertrieben? - Zumindest beunruhigt es mich nicht. Das Wachstum von China hat sich auf 6 bis 6,5% pro Jahr verlangsamt, was zu begrüssen ist. Wäre das Tempo Chinas unverändert, würde sich ein wirtschaftlicher Zwischenfall deutlich stärker auf die globale Wirtschaft auswirken.

Und die USA? - Anfang Jahr waren die Märkte, was das Wachstum der Vereinigten Staaten betrifft, zu pessimistisch. Sie erwarteten keine Zinserhöhungen. Inzwischen hat sich das Bild gedreht. Das Wachstum von 3,2% im ersten Quartal ist das beste Dreimonatsresultat seit der Finanzkrise. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wachstumserwartungen nach oben revidiert werden, ist hoch.

Dennoch gehen die viele Beobachter davon aus, dass das Fed die Zinsen 2019 unberührt lässt. - Diese Meinung teile ich nicht. Ich gehe noch immer davon aus, dass es gegen Ende Jahr eine Zinserhöhung gibt. Und die Märkte unterschätzen derzeit das Risiko eines Zinsschritts. So, wie die Wirtschaft brummt, wird die nächste Zinsbewegung sicherlich nicht nach unten gehen. Und für das Fed wird es schwieriger, zu rechtfertigen, weshalb es eine lockere Geldpolitik beibehält.

Nur Europa passt nicht ganz in dieses Bild einer stabilen Weltwirtschaft. - Europas Wirtschaft verlangsamt sich, kein Zweifel. Allerdings muss man sich vor Augen halten, dass der Kontinent trotz allem über seinem Potenzial wächst. Zuletzt hat Europas Wirtschaft mit 2,5% expandiert. Das ist, als würde die US-Wirtschaft pro Jahr 4,5% zulegen. Das kann kein nachhaltiger Zustand sein.

Wo sehen Sie in Europa die Problemfälle? - Frankreich und Italien. Frankreich wird sich mehr rückwärts als vorwärts entwickeln. Ich glaube nicht, dass Präsident Emmanuel Macron, in den ich nach seiner Wahl grosse Hoffnungen gesetzt hatte, den Widerstand zurückschlagen kann. Italien hat die vergangenen Jahre komplett verschwendet. Die notwendigen strukturellen Reformen sind nicht vollzogen worden. Das Potenzialwachstum des Landes liegt derzeit bei 0%.

Welche Rolle spielt die unendliche Geschichte um den Brexit? - Interessanterweise ist das eine Story, die nur die Politik beschäftigt. In der breiten Öffentlichkeit kümmert der Brexit in Europa kaum jemanden. Das zeigte sich 2018 sowohl bei den italienischen Wahlen wie auch in Deutschland, als die Debatte über die Kanzlernachfolge startete.

Greift dies nicht etwas gar kurz? Der europäisch-britische Handel ist eng vernetzt. - Als das nordamerikanische Freihandelsabkommen neu ausgehandelt wurde, gab es ebenfalls Sorgen, dass bei einem Scheitern der Handel zwischen den USA und Mexiko zusammenbricht. Das wäre aber nicht der Fall gewesen, denn dafür gibt es die Regeln der Welthandelsorganisation WTO, die auch zwischen Grossbritannien und der EU in Kraft treten würden. Ein grosser Teil des Welthandels funktioniert nach diesen Regeln, selbst die USA haben nur mit wenigen Ländern Freihandelsabkommen ausgehandelt.

Derzeit sehen wir sehr positiv gestimmte Aktienmärkte und eher vorsichtige Fixed-Income-Märkte. Wer liegt richtig?

Ich glaube nicht, dass die Bondmärkte vorsichtig sind. Vielmehr haben sie ein Moral-Hazard-Problem. Sie setzen darauf, dass das Fed die Zinsen nicht erhöhen wird. Dabei hat die Notenbank bloss die von Zinserhöhungen ausgehenden Kursschwankungen vom ersten Quartal in eine noch nicht bestimmte Zukunft vertagt.

Hat das Fed richtig entschieden? - Nach dem Kurssturz im vierten Quartal 2018 reagierte das Fed, worauf die Märkte zu einer massiven Erholungsrally angesetzt haben. Das Ausmass hat wohl selbst die Notenbank überrascht. Es würde mich nicht erstaunen, wenn hinter den Kulissen diese Entwicklung Sorgen bereitet. Um das Vorgehen des Fed zu rechtfertigen, hätten wir eine signifikante Schrumpfung im Erstquartalswachstum sehen müssen, wir sprechen nun aber von 3,2%.

Davor war die Angst vor einer Rezession in den USA immer grösser geworden. - Ich sehe schlicht keinen Auslöser für eine Rezession. Zyklen sterben nicht einfach, weil sie in die Jahre kommen oder weil sie so und so lange gedauert haben. Ein Ende muss immer von einem Anlass ausgelöst werden, etwa einer zu starken geldpolitischen Straffung der Zentralbanken, Überinvestitionen der Realwirtschaft, einem Energiepreisschock oder dem Platzen einer Finanzmarktblase. Diese Gefahren sehe ich derzeit nicht, aber über kurz oder lang könnten Blasen entstehen.

Weshalb sind die Sorgen im Markt so gross? - Ich kann es nicht nachvollziehen. Mir gibt aber der Druck auf die Zinsen am langen Ende zu denken. Solche Wetten zielen normalerweise auf die wirtschaftliche Entwicklung ab, jetzt sind es Wetten auf das Fed. Dies ist äusserst riskant, vor allem wenn Investoren sich in Sicherheit wähnen, selbst wenn sie eine überbewertete Anlage kaufen. Dazu gehören meiner Ansicht nach die US-Treasuries.

Angesichts der weltweit tiefen Zinsen: Welche Massnahmen bleiben den Notenbanken im nächsten Abschwung? - Sie müssten unmittelbar übergehen zu unorthodoxen Massnahmen, auch wenn diese nie für den ersten Schritt erdacht wurden. Denn falls sie ihre Wirkung verlieren, bleibt den Zentralbanken kaum noch ein Mittel, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Wo sehen Sie die grössten Marktrisiken in den kommenden Monaten? - Die US-Wahlsaison wirft ihre Schatten meist weit voraus. Bereits im Sommer beginnen die Debatten über die Kandidaten der Demokraten, im Winter wird man sich dann auf US-Präsident Donald Trump und seinen Herausforderer konzentrieren. Es ist davon auszugehen, dass nach jeder Debatte die Kurse nach oben oder nach unten gehen werden.

Wird es für Anleger künftig noch schwieriger, Lärm von Fakten zu unterscheiden? - Das Umfeld wird anspruchsvoller. Für mich war es selbst im Winterquartal 2018 – als niemand wirklich eine Erklärung für die Panikreaktion an den Märkten fand – einfacher, den Lärm auszusondern und auf Fundamentaldaten zu fokussieren.  Wir müssen uns auf eine höhere Schwankungsanfälligkeit vorbereiten und verstehen, weshalb wir sie haben.

Von viel Lärm ist auch der Handelskrieg zwischen den USA und China begleitet. Ihre Einschätzung? - Es ist hauptsächlich Lärm, viel Lärm um wenig. Für mich war von Anfang klar, dass wir höchstens ein gespanntes Verhältnis zwischen den beiden Ländern sehen werden, aber sicherlich keinen Handelskrieg. Allerdings werden diese Spannungen wohl noch lange Zeit anhalten, unabhängig davon, ob nächstes Jahr Trump oder sein Herausforderer gewählt wird.

Wo sehen Sie im Obligationenbereich Kaufmöglichkeiten? - Es gibt immer noch gute Unternehmensobligationen, im Investment-Grade- wie auch im High-Yield-Bereich. Es ist heute aber wichtiger denn je, die Gesellschaften genau zu analysieren, um einen Totalausfall der Obligation zu vermeiden. Die Bewertungen sind nicht mehr niedrig. Auch bei Schwellenländerobligationen sehen wir punktuell noch gute Möglichkeiten. Aber auch hier muss man den Einzelfall genau analysieren.

Wovon sollen Anleger die Hände lassen? - Viele Staatsobligationen wie US-Treasuries oder deutsche Bundesanleihen sind überbewertet, besonders die länger laufenden. Das ist vor allem für Pensionskassen ein Problem, die aus Risikoüberlegungen auch in solche als sicher geltenden Anlagen investieren müssen.