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«Das Fed geht ein grosses Risiko ein»

«Donald Trump ist nicht das Endresultat, er ist ein Vorbote dessen, was noch kommt.»

Auf der Welt werde Überfluss herrschen, prophezeit John Mauldin. Bis dahin gelte es jedoch, Hindernisse zu überwinden. Nachdem die Anleihenkäufe der Zentralbanken die Vermögenspreise angefeuert hätten, drohe nun die US-Notenbank Fed eine Krise auszu­lösen, warnt der erfolgreiche Wirtschaftsautor. Letztlich müssten die Staaten ihre Schulden monetisieren, also mit frisch gedrucktem Geld begleichen. Mauldin trat am Lantern Fund Forum auf, das heuer zum siebten Mal in Lugano stattfand.

Herr Mauldin, gelingt der Ausstieg der US-Notenbank aus der expansiven Geldpolitik, ohne dass die Märkte entgleisen? - Das Federal Reserve ist im Begriff, einen grossen Fehler zu begehen. Es hätte die Zinsen vor vier Jahren erhöhen sollen. Jetzt setzt es den Leitzins hinauf und will gleichzeitig seine Bilanz verkleinern. Damit geht das Fed ein grosses Risiko ein.

Fed-Präsidentin Janet Yellen agiert aber äusserst vorsichtig. - Die Zentralbanken haben viele Vermögenswerte gekauft – das Fed, die EZB, die Bank of Japan, zudem China durch die ­Erhöhung der Bankschulden. Es wäre grotesk zu behaupten, dieses Quantitative Easing habe die Asset-Preise nicht hinaufgedrückt. Der frühere Fed-Präsident Ben Bernanke klopfte sich sogar auf die Schulter und sagte: «Seht, wie erfolgreich unser QE ist. Wir haben die Häuserpreise und die Aktienkurse in die Höhe getrieben.» Und jetzt wird behauptet, das Umgekehrte habe keine Auswirkung. Wirklich? Können Sie mir bitte dieses ökonomische Modell noch einmal erklären?

Weshalb sagt dann Janet Yellen, die ­Bilanzverkleinerung sei so langweilig wie Farbe beim Trocknen zuzusehen? - Das ist Wunschdenken. Es ist gefährlich anzunehmen, dass das keinen Einfluss auf die Märkte hat. Eine heftige Börsenbaisse in den USA würde alles herabziehen und eine globale Rezession verursachen. Es wäre eine grosse Ironie, wenn das Fed einen solchen Abschwung auslösen würde. Es muss extrem vorsichtig sein.

Muss die Bilanz nicht abgebaut werden? - In der grossen Depression der Dreissigerjahre hat das Fed die Bilanz letztendlich ausgeweitet, das half der Wirtschaft. Und was unternahm es danach? Nichts. Die Bilanz blieb stehen. Mit der Zeit wuchs die Wirtschaft so weit, dass die Bilanz recht klein wurde. Deshalb sage ich: Tut nichts. In zwanzig Jahren wird die US-Wirtschaft nominal doppelt so gross sein wie heute und damit die Fed-Bilanz im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt halb so gross. Das ist in Ordnung und wird niemanden kümmern. Weshalb also die Eile? Wo brennt es? Ich verstehe es nicht.

Wie kann das Fed reagieren, wenn die nächste Rezession kommt? - In einer Rezession wird die US-Notenbank die Zinsen senken, ohne aber viel Raum zu haben, denn vorerst kann sie den Leitzins höchstens noch dreimal erhöhen. Und sie wird noch mehr Anleihen kaufen. Die Ironie ist, dass das Fed ausgerechnet unter Donald Trump tatsächlich Negativzinsen einführen könnte – für die Reservewährung der Welt.

Die Schweizerische Nationalbank hat ­ebenfalls eine grosse Bilanz. - Die Bilanzsumme ist bereits 800 Mrd. $. Wann stoppt die SNB? Norwegens Staatsfonds hat Vermögenswerte für 1 Bio. $, ­finanziert durch Öleinnahmen. Die SNB hingegen druckt frisches Geld und ist der grösste Hedge Fund der Welt – ausser dass sie ihre Anleihen und Aktien nicht verkaufen kann, weil die Märkte ins Taumeln geraten würden. Was um alles in der Welt macht die SNB mit 3% Anteil an Apple?

Sollte die SNB damit aufhören, den ­Franken zu schwächen? - Ich verstehe, weshalb sie das tut. Und ich weiss nicht wirklich, was sie sonst tun sollte. Der Franken ist so stark, dass sie ihre zunehmenden Devisenanlagen nicht mehr verkaufen kann. Interveniert sie aber nicht, fällt der Franken auf 50 Eurocents. Die Leute bringen ihr Geld in die Schweiz und sind bereit, für das Privileg 0,75% Zins zu zahlen. Die Welt steht kopf.

Was sollten die Zentralbanken tun? - In jeder Krise haben die Zentralbanker das Gefühl, sie müssten etwas unternehmen. Wir befinden uns in einer seltsamen neuen Welt. Ich verstehe nicht, wie Japans Notenbank so viele Staatsschulden monetisieren kann, ohne dass ihre Währung noch viel schwächer wird. So etwas ist noch nie geschehen. Wirklich seltsam.

Gibt es einen Ausweg? - Je länger, desto mehr müssen wir das Undenkbare denken. Wir müssen uns wirklich fragen: Was geschieht, wenn wir uns selbst in die Enge getrieben haben? Was sind wir dann bereit zu tun?

Sie sind nicht gerade zuversichtlich. - Es sieht vielleicht nicht so aus, aber ich bin sehr optimistisch. Auf der Welt wird Überfluss herrschen. Esswaren sind immer reichlicher vorhanden und werden billiger. Bald werden wir Meerwasser in Süsswasser umwandeln und überall verteilen. Alles wird günstiger. Google und Facebook werden die Welt mit drahtloser Gratis-kommunikation überziehen, mithilfe von Ballonen und Solardrohnen. Die Kosten für diese Technologie sind ein Rundungsfehler in ihrer Portokasse.

Doch was ist mit der Welt, die kopf steht? - Wir müssen herausfinden, wie wir Hindernisse überwinden, in der Politik, bei den Staatsschulden und bei Renten, die nicht bezahlt werden können. Der erste heftige Stoss kommt von einer Rezession. Wo immer sie auch beginnt, sie wird sich rasch global ausbreiten. Wenn die USA in eine Rezession fallen, steigen ihre Staatsschulden über Nacht von 20 auf 30 Bio. $.

Sind so hohe Schulden tragbar? - Wir haben weltweit schlichtweg zu viele Schulden. Die wichtigen Länder werden herausfinden müssen, wie sie diese monetisieren können, ohne einen Währungskrieg auszulösen. Wenn wir einen Abwertungswettlauf beginnen, wird es nicht nur holprig, sondern hässlich. Die Grosse Depression war auch deshalb so schlimm, weil ein Land nach dem anderen seine Währung gegenüber Gold abwertete. Hätten sie das koordiniert, statt dass jeder die anderen übervorteilen wollte, wäre die Depression viel schneller vorüber gewesen. Wir werden ein neues Bretton Woods brauchen, ein neues internationales Währungsabkommen. Daran führt kein Weg vorbei.

Sie nannten auch die Politik als Hindernis. - Unsere Gesellschaft wird immer frustrierter. Donald Trump ist nicht das Endresultat, er ist ein Vorbote dessen, was noch kommen wird. In den USA haben wir eine Epidemie. Erstmals in der Geschichte Amerikas sinkt die Lebenserwartung der 45- bis 55-Jährigen. Weisse Männer diesen Alters nehmen Drogen, Alkohol und begehen Selbstmord. Sie haben keine Arbeit, sind verzweifelt und geben auf.

Was sind die Ursachen dafür? - Es wird zwar überall selbst fahrende Autos geben, die Strassen werden sicherer. Doch damit stehen nur schon in den USA die Jobs von 6 Mio. Fahrern von Lastwagen und Taxis auf dem Spiel. Es gibt weniger Autowracks, also brauchen wir weniger Mechaniker, weniger Personal auf der Notfallabteilung im Spital und so weiter. Wo sollen all diese Leute arbeiten? Ein Lastwagenfahrer ist nicht wirklich ausgebildet für einen Job im Technologiesektor.

Strukturwandel ist nicht neu. - Künstliche Intelligenz wird einen Job nach dem anderen übernehmen, und es entstehen auch viele neue Jobs, wie es im technologischen Wandel immer geschehen ist. Aber heute dauert der Umbruch nur einen Augenblick. Auf diese Geschwindigkeit sind wir nicht vorbereitet.

Politiker haben ein Rezept: Sie wollen die Immigration bremsen. - Ich bin seit Langem in der Republikanischen Partei, aber ich verstehe nicht mehr, was da abläuft. Vermeintlich vernünftige Republikaner fordern weniger Immigration. Was denken sie sich dabei? Es gibt nur zwei Wege, damit die Wirtschaft wächst: Man kann die Produktivität steigern, was jedoch nicht geschehen ist. Und man kann die Zahl der Arbeitnehmer erhöhen. Das haben wir in den USA stets mit Immigration getan. Wenn wir nun die Zahl der Arbeitnehmer reduzieren, wächst die Wirtschaft weniger schnell. So sind die Regeln. Es ist sagenhaft, wie viele Einwanderer im Silicon Valley neue Unternehmen gegründet und Jobs geschaffen haben.

Was lässt sich gegen die Frustration tun? - Letztlich brauchen wir eine garantierte Grundbeschäftigung. Ich hoffe, es wird kein Grundeinkommen geben. Die Leute müssen arbeiten können, etwas Sinnvolles tun und einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Franklin Roosevelt führte in der Grossen Depression ein Arbeitsprogramm ein für Strassen, Dämme, Parks. Die Leute gingen arbeiten und erhielten einen Lohn. Das hat ganz gut funktioniert, so ähnlich könnte es auch heute sein.

Wie sollen Investoren vorgehen, um in ­dieser Welt ­Ersparnisse zu verwalten? - Sie sollten nicht über Anlageklassen diversifizieren. Alles ist ein einziger grosser ­Risikopool. Die Diversifikation geschieht über Anlagestrategien. Ich setze verschiedene quantitative, technische Handelssysteme ein. Sie bestimmen, wann man im Markt ist und wann nicht. Zudem braucht es Absicherungsstrategien.

Wie sieht das konkret aus? - Ein ETF für Automation und Robotics – den ich nicht besitze – ist sechsmal ­schneller gestiegen als der S&P 500. Das ist ein Wachstumsfeld, aber auch der Aktienmarkt auf Steroiden: Wenn die Börse 40% sinkt, fällt der ETF 60%. Mit einer Absicherungsstrategie verliert man etwas vom Aufwärtspotenzial, nimmt aber Volatilität weg. Es gibt fast nichts, das sich nicht ­irgendwie absichern lässt. Anleger sollten nicht nur eine Kaufposition eingehen. Ein Long-Bias ist wegen der Hindernisse in den nächsten Jahren gefährlich.