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Daran krankt Amerikas Demokratie

Es vergeht keine Woche, in der Donald Trump nicht irgendwelche Lügen verbreitet. Anfang Monat waren es laut dem Factchecker der New York Times deren fünfzehn an einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania. Unter anderem brüstete sich der Präsident der Vereinigten Staaten damit, grössere Menschenmassen angezogen zu haben als die Musikstars Beyoncé, Jay-Z oder Bruce Springsteen. Damit lag er zwar daneben, doch das dürfte das Publikum kaum gestört haben. Laut Umfragen stehen neun von zehn Republikanern weiterhin hinter dem Präsidenten. Lügen gehört zu seinem Repertoire. Seine Jünger folgen ihm blind.

Dass der Präsident des mächtigsten Landes ein pathologischer Lügner ist und die freie Presse als Feinde des amerikanischen Volks bezeichnet, ist zwar ein Novum, doch es ist die logische Konsequenz der Radikalisierung der Republikanischen Partei während der vergangenen Jahrzehnte. Denn Donald Trump ist nicht die Ursache dafür, dass die liberale Demokratie in den USA in Bedrängnis ist – er ist das Symptom. Unter Druck geriet sie bereits Mitte der Neunzigerjahre. Angeführt von Newt Gingrich, dem damaligen republikanischen Mehrheitsführer im Abgeordnetenhaus, radikalisierte sich die Partei zunehmend. Das Ziel war einzig die Macht. Gingrich bezeichnete die Demokraten als unpatriotisch und beschuldigte sie, das Land zu zerstören. Zusammenarbeit mit den Demokraten schlossen Gingrich und Co. aus, denn aus den politischen Gegnern waren Feinde geworden. Trump führt diesen Kurs konsequent fort.

Unterstützt wurde die Radikalisierung unter Gingrich von rechten Meinungsmachern auf dem konservativen Fernsehsender Fox sowie von Radiomoderatoren wie Rush Limbaugh und Sean Hannity. Dank der Aufhebung der Fairness Doctrine 1987 mussten die Stationen keine ausgewogene Berichterstattung mehr senden. Ergo diffamierten sie unisono die Demokraten als Feinde des Landes. Auch Trump befindet sich in einer symbiotischen Beziehung mit Fox und anderen Medien.

Die Tea-Party-Bewegung brach das Zweiparteiensystem weiter auf. Am deutlichsten zeigte sich die Verrohung der demokratischen Gepflogenheiten dann vor zwei Jahren. Nachdem der Oberste Richter Antonin Scalia am 13 Februar 2016 verstorben war, verweigerte die republikanische Mehrheit dem demokratischen Präsidenten Barack Obama, einen Richter zu bestimmen, obwohl es das Recht des amtierenden Präsidenten ist, eine solche Vakanz zu besetzen. Sie hofften auf den Sieg von Trump und darauf, den Sitz mit einem eigenen Kandidaten zu besetzen – mit Erfolg.

Vertrauen in die Politik sinkt

Trump und die Republikaner sind aber nicht allein schuld an der Krise des demokratischen Systems. Auch die Demokratische Partei trifft eine Mitschuld. Die gesamte politische Elite in Washington hat es seit Jahrzehnten verpasst, sich der Sorgen der Bürger anzunehmen. Der Grund dafür ist der ständige Wahlkampf. Es vergeht wohl keine Woche, in der Donald Trump nicht an irgendwelchen Wahlveranstaltungen auftritt. Derzeit finden beispielsweise vereinzelte Ersatzwahlen für das Repräsentantenhaus sowie parteiinterne Vorwahlen für die Zwischenwahlen von Anfang November statt. Diese Veranstaltungen kosten Geld. Und das Geld beeinflusst die Politik.

Untersuchungen belegen, dass das Stimmverhalten von Senatoren die grösste Übereinstimmung mit den Präferenzen der Geldgeber aufweist statt mit denjenigen der Wähler. Der Volkswille kann somit kaum wirkungsvoll in Politik umgesetzt werden. Die Demokratie scheitert an ihrer Hauptaufgabe, wegen der Lobbyisten. Sie kümmern sich darum, dass die Interessen finanzkräftiger Unternehmen und anderer Interessengruppen Gehör finden und nehmen selbst direkt auf den gesetzgeberischen Prozess Einfluss. Sumpf am Potomac eben.

Als Präsidentschaftskandidat trat Trump mit dem Versprechen an, diesen Sumpf trockenzulegen. Als Aussenseiter konnte er damit viele Stimmen gewinnen. Geändert hat sich aber nichts, es ist gar noch schlimmer geworden. Lobbyisten haben einen ungehindert grossen Einfluss. Wie die Episode mit Trumps Privatanwalt Michael Cohen gezeigt hat, wurde mit angeblichem Zugang zum Weissen Haus schamlos Kasse gemacht.

Trump fügt dem demokratischen System auf diverse Arten Schaden zu. Erstens schwächt er die Institutionen. Trump bezeichnet die Sonderermittlung des FBI bezüglich der Einmischung Russlands in die Präsidentschaftswahl regelmässig als Hexenjagd und fordert das Justizministerium auf, diese abzubrechen. Der Präsident gab Anfang Juni zudem bekannt, dass er das «absolute» Recht habe, sich selbst zu begnadigen.

Zudem diffamiert er alle Personen, die nicht seine Meinung teilen. Dies betrifft die politischen Gegenspieler aus der eigenen wie aus der Demokratischen Partei wie auch die Medien. Der Presse hat Trump wiederholt angedroht, das Verleumdungsgesetz unter die Lupe zu nehmen. Zuletzt sagte er im Januar, dieses sei eine Schande und entspreche weder amerikanischen Werten noch amerikanischer Fairness. Trump will damit das Einklagen der Presse vereinfachen. Im Fokus hat er dabei ihm kritisch gesinnte Medienhäuser.

Langfristig am problematischsten sind aber Anpassungen der Regeln des demokratischen Systems. Auch hier ist der amtierende Präsident aktiv. Trump will wegen des angeblichen Wahlbetrugs während der Präsidentschaftswahl 2016 die Anforderungen an die Wähler erhöhen. Wahlbetrug ist Trumps Erklärung, warum er in der Präsidentschaftswahl weniger Stimmen als Hillary Clinton erhielt. Die Kommission, die dies untersuchte, wurde im Januar aufgelöst; Beweise für Wahlbetrug hatte die Kommission keine gefunden. Zu den strengeren Regeln gehört beispielsweise das Vorweisen eines amtlichen Ausweises wie eines Führerscheins. Was Trump erreichen will, ist offensichtlich: 16% der Weissen haben keinen gültigen Führerschein. Bei Latinos steigt der Anteil auf 27% und bei Afroamerikanern auf 37%.

Die Mitte ist der einzige Weg

Die Aussichten für die liberale Demokratie in den USA sind düster. Sie steht vor der grössten Herausforderung der jüngeren Geschichte, denn am grundlegenden Problem der Polarisierung der Parteien und des Volks wird sich kaum etwas ändern. Als Obama versuchte, das Land zu einen, scheiterte er grandios. Diese Spaltung schadet dem System. Das belegt die Wahrnehmung der Bevölkerung. Fast jeder vierte Millennial (die Generation, die um 2000 ins Erwerbsleben eintrat) denkt, dass die Demokratie ein schlechtes System ist, um das Land zu regieren. Immer mehr Amerikaner sind der Überzeugung, dass ein Autokrat dem demokatischen System vorzuziehen ist. Einen Mann mit autokratischen Tendenzen haben sie ja bereits zum Präsidenten gewählt.

Es liegt an der Demokratischen Partei, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Von Seiten der Republikaner ist während Trumps Amtszeit diesbezüglich nichts zu erwarten. So lange er bei seiner Wählerschaft so beliebt ist, werden sich die Republikaner hüten, aufzumucken. Umso grösser ist die Verantwortung der Demokraten, wieder Vertrauen ins System aufzubauen. Ersatzwahlen haben gezeigt, welcher Weg am ehesten zu Erfolg führen wird. Dieser Weg heisst Mitte. Im April gewann der Demokrat Conor Lamb in Pennsylvania überraschend die Nachwahl in diesem traditionell republikanisch wählenden Staat. Thematisch hatte er sich den Republikanern angenähert und sich von Nancy Pelosi, der bei den Republikanern unbeliebten Minderheitsführerin im Repräsentantenhaus, distanziert. Auch in Ersatzwahlen in Ohio führte diese Strategie fast zum Erfolg. Einer Radikalisierung müssen die Demokraten widerstehen. Denn nur so haben sie eine realistische Chance, in den Zwischenwahlen eine Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erreichen. Der linke Flügel der Partei um Bernie Sanders und Elizabeth Warren muss zu diesem Zweck hinten anstehen.

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