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CO2-Abgabe hat Tücken

Klimademonstrationen, Klimastreik, Klimanotstand: Die Begriffe machen derzeit die Runde. Die Klagen, vor allem Jugendlicher, über den Klimawandel sind lauter geworden. Sie werden unterstützt vom medialen Mainstream und von Wissenschaftlern aus den unterschiedlichsten Sparten. Fast im gleichen Atemzug mit den Klagen über den Klimawandel wird stets auch die Einführung einer CO2-Abgabe gefordert, denn nur damit lasse sich der Klimawandel aufhalten. Der Forderung schliessen sich auch prominente Ökonomen an.

Dabei dürften sie sich an einer theoretisch reinen CO2-Abgabe orientieren. Sie wäre in der Tat eine Lösung für das drängende Problem. Allerdings sind die Anforderungen hoch: Sie müsste weltweit einheitlich erhoben werden, und damit sie nicht zu einer neuen Steuer wird, wäre sie aufkommensneutral an die jeweilige Bevölkerung zurückzuerstatten.

Globale Abgabe ist Illusion

Ein Blick in die reale Welt zeigt rasch, dass dies eine Illusion ist. Indien oder China werden nie einer CO2-Abgabe in gleicher Höhe zustimmen wie etwa die USA oder die Schweiz. Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen in China oder Indien – und noch ausgeprägter in Entwicklungsländern – wären völlig andere als diejenigen in Industrieländern. Darum glaubt Bernd Schips, ehemaliger Direktor der Konjunkturforschungsstelle Kof der ETH, dass die Chance auf die Einführung einer globalen CO2-Abgabe gering ist.

Das führt zur Frage, ob es sinnvoll ist, wenn einzelne Länder, etwa die Schweiz, isoliert eine CO2-Abgabe einführen. Ist sie geeignet, den CO2-Ausstoss zu reduzieren und so einen Beitrag zu leisten, die internationalen Vorgaben zu erfüllen? Die Umsetzung einer derartigen Abgabe stösst in der Realität auf mannigfache Schwierigkeiten. Zuerst stellt sich die Frage nach der Höhe der Abgabe. Es gibt kein Instrumentarium, um die optimale Höhe für die beabsichtigte Lenkungswirkung klar zu definieren. Das hängt auch damit zusammen, dass die Elastizität der Nachfrage – wie reagiert die Nachfrage auf eine bestimmte Abgabenhöhe? – nicht klar ist. Klar ist aber, dass sie je nach Wirtschaftssubjekt unterschiedlich ist. Die Elastizität eines Kleinhaushalts ohne Auto ist eine andere als diejenige eines Industriebetriebs. Es müsste eine grosse Zahl unterschiedlicher Abgabehöhen definiert werden.

In der Praxis wäre man auf ein Trial-and-Error-Verfahren angewiesen, dem immer eine grosse Portion Willkür anhaftet. Dabei ist davon auszugehen, dass die Abgabe hoch angesetzt würde, damit auch eine Lenkungswirkung eintritt.

Das wiederum wirkt preistreibend. Verteuert würde, das ist auch der Zweck der Übung, zunächst die fossile Energie. Dies wiederum hätte Auswirkungen auf sehr viele andere Produkte und Dienstleistungen, das allgemeine Preisniveau würde rasch steigen – ein Effekt, der in der Debatte meist vernachlässigt wird.

Das wiederum wirkt sich, im Fall der stark exportorientierten Schweiz, belastend auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit aus, wenn Konkurrenzländer keine derartige Abgabe einführen. Dieser Effekt ist gemäss Schips sehr ernst zu nehmen. Das sogenannte Klima- und Energielenkungssystem, das ursprünglich als zweite Etappe der Energiestrategie 2050 vorgesehen war (doch dann im Parlament kläglich scheiterte), sah Erleichterungen für energieintensive Unternehmen vor. Ihre Behandlung führt zu einem Dilemma, aus dem es keinen Ausweg gibt.

Werden energieintensive Unternehmen von der Abgabe verschont, wird der Lenkungszweck gerade da unterlaufen, wo er potenziell am wirkungsvollsten wäre: Der CO2-Ausstoss sinkt nicht. Dafür bleiben diese Unternehmen im Land. Werden sie der Abgabe jedoch unterworfen, haben sie einen enormen Anreiz, das Land zu verlassen und sich einen Standort ohne Abgabe zu suchen. In diesem Fall wird die CO2-Emission auch nicht reduziert, sondern lediglich verlagert. Zudem verliert das Land Unternehmen, Arbeitsplätze und Steuersubstrat. Die Zeche hätten die weniger energieintensiven und gar die effizienten Unternehmen sowie die Konsumenten zu tragen. Das kann ja wohl nicht der Sinn der Übung sein.

Eine CO2-Abgabe, die den Verbrauch lenken und nicht die Staatskasse alimentieren soll, muss zudem haushaltneutral zurückerstattet werden – und zwar vollumfänglich. Da liegt es zunächst nahe, eine Rückerstattung pro Kopf an die Bevölkerung vorzunehmen.

Auch da allerdings gibt es etliche Fallstricke. Eine Pro-Kopf-Rückerstattung erscheint zumindest auf den ersten Blick gerecht. Allerdings werden so die Verteilungswirkungen der CO2-Abgabe inklusive Rückerstattung verdeckt. Von den schon erwähnten Preissteigerungen auf breiter Front sind niedrige Einkommen wesentlich stärker betroffen als höhere. Dieser Effekt könnte durch die Rückerstattung kaum kompensiert werden.

Diese wenigen Hinweise zeigen, dass die Umsetzung einer CO2-Abgabe in der Realität nicht so einfach ist, wie dies zunächst erscheinen mag. Die Insel-Lösung, wie sie in der Schweiz diskutiert wird, würde einen geringen Lenkungseffekt entfalten und Emissionen eher ins Ausland verlagern, statt sie zu reduzieren.

Die wirtschaftlichen Schäden wären gross, die internationale Wettbewerbsfähigkeit würde leiden, niedrige Einkommen würden stärker belastet. Es würde zwar etwas «Mutiges» für das Klima getan. Das Ziel einer markanten Reduktion des CO2-Ausstosses würde aber kaum erreicht.

Es gibt Alternativen

Dies ist umso bedenklicher, als andere Instrumente zur Verfügung stehen, die einen Beitrag zur Zielerreichung leisten, aber keine wirtschaftlichen Schäden anrichten. Eines ist, darauf verweist auch Schips, ein Handelssystem für CO2-Emissionen, wie es in Europa funktioniert, auch wenn die Zahl der umlaufenden Zertifikate derzeit wohl zu hoch ist. Die Schweiz müsste sich diesem System anschliessen. Ein in der Schweiz bekanntes und zudem erprobtes System ist das der Zielvereinbarungen mit Unternehmen betreffend ihren CO2-Ausstoss. Sie haben zu einer Reduktion des Ausstosses geführt.

Politisch dürfte es eine CO2-Abgabe in der Schweiz sehr schwer haben. Die Benzin- und Dieselpreise sind schon heute enorm mit Steuern und staatlichen Abgaben belastet. In der Luftfahrt profitieren breite Bevölkerungskreise von billigen Flügen – eine abrupte Trendwende würde  kaum goutiert.

Emissionshandel und Zielvereinbarungen sind erklärungsbedürftig und weniger spektakulär und publizitätsträchtig als die Forderung nach einer CO2-Abgabe. Der protestierenden Jugend sei nachgesehen, dass sie auf spektakuläre, doch wenig zielführende Massnahmen setzt, der Wissenschaft und der Politik hingegen nicht.