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Chinas Schulden-Spiel

Das Volumen der Gesamtkredite wachst weiter.

Die chinesische Konjunktur zieht an. Nach besseren Zahlen aus der Industrie im August ist «die Wachstumsdynamik kein Grund zur Besorgnis für die Politik», beobachtet Wei Yao in einem Kommentar. Sie ist China-Ökonomin von Société Générale. Ist also alles gut in China?

Auf den zweiten Blick nicht. Vielen macht dieses Wachstum Sorgen. Denn die Wirtschaftsleistung wächst dank höheren Schulden. Die Vergabe von Bankkrediten hat sich im August beschleunigt und ist um 13% gegenüber dem Vorjahr gestiegen.

Nach einer Schätzung des Researchhauses Capital Economics ist das Volumen der Gesamtkredite sogar um über 16% zum Vorjahr gewachsen.

Schuldenlast wächst rapide

Die Kreditvergabe wächst deutlich schneller als die Wirtschaft. Dadurch steigt die Schuldenlast im Vergleich zur Wirtschaftsleistung. Die Verschuldungsquote beschleunigt sich sogar: Die Differenz zwischen dem Wirtschaftswachstum und der Kreditvergabe ist mit 5 Prozentpunkten so hoch wie seit der Finanzkrise nicht.

Nach Schätzung der Bankenvereinigung IIF belaufen sich die Gesamtschulden nun auf 300% des Bruttoinlandprodukts (BIP). Anfang 2012 lag dieses Verhältnis noch bei 200%.

Schulden zu BIP - Quelle: IIF

«Um das Verhältnis von Schulden zum BIP zu reduzieren, muss die Verschuldung gesenkt werden. Doch gleichzeitig müssen die Wachstumszahlen für die Regierung akzeptabel bleiben», erklärt Florence Pisani, Ökonomin beim Asset-Manager Candriam, gegenüber FuW.

Peking tritt aufs Gas

Laut Pisani muss das Wachstum aus sozialen Gründen hoch gehalten werden. «Deswegen sehen wir diese Stop-and-Go-Politik der Regierung», beobachtet die Ökonomin. «Sie wollen das Schuldenwachstum verringern. Gleichzeitig wird aber das Wirtschaftswachstum stimuliert, wenn es zu schwach ausfällt.»

Nach der Finanzkrise 2008 hatten staatseigene Unternehmen und die Finanzgesellschaften der Lokalregierungen investiert, um das Wachstum hoch zu halten. Dort haben sich heute die Schulden angesammelt. Sie müssen nun bereinigt werden.

Teurer Schuldendienst

Denn der hohe Schuldenstand drückt auf das Wachstum. «Es ist aus unserer Sicht nicht abzustreiten, dass die hohen Schulden das Wirtschaftswachstum Chinas schon belasten», meinen Ökonomen der Bank Nomura in einer Studie.

Ein Indiz für die Belastung durch höhere Schulden: Die Schuldner in China müssen einen rapide wachsenden Teil ihres Einkommens zur Bedienung der Kredite aufwenden. Damit steigt auch das Risiko, dass sich immer mehr notleidende Kredite in den Bilanzen der Banken auftürmen.

Schuldendienst - Quelle: Nomura

Doch wie können die hohen Schulden reduziert werden? Nomura sieht zwei Ansatzpunkte. Wirtschaftspolitisch könnte die Schuldenlast durch «viel niedrigere Zinsen» und eine schwächere Währung gemildert werden. Doch gleichzeitig sei die Restrukturierung von Schulden angebracht, und Zahlungsausfälle seien «nicht zu umgehen».

Kredite nicht einfach zu tilgen

Einfach die Kredite zurückzuzahlen, ist gemäss Nomura keine Alternative. Die verschuldeten Unternehmen und Lokalregierungen müssten dafür Vermögenswerte – grossteils Immobilien – verkaufen.

Die Verkäufe würden aber die Preise dieser Anlagen rapide sinken lassen. Die Schuldenlast wäre dann noch höher: «Der Verschuldungsgrad würde dadurch nach oben schnellen», erklären die Nomura-Analysten.

Pisani rechnet trotz zu erwartender Zahlungsausfälle nicht mit einer Finanzkrise: «Auch wenn die Märkte hektisch auf Ausfälle reagieren, hat die Regierung die Mittel, um Schäden am Finanzsystem durch eine Verlustübernahme zu vermeiden.»

Staat und Private sollen Schulden machen

Da der Unternehmenssektor besonders verschuldet ist, plant die chinesische Regierung nun, dass die weniger verschuldeten Sektoren das Wachstum durch höhere Schulden anregen. Dazu gehören der Staat und die Privathaushalte.

So hat der Staat schon Kredite der lokalen Finanzierungsgesellschaften in eigene Anleihen getauscht. Dadurch können Zinsen gespart und die Laufzeiten der Kredite verlängert werden.

«Die Regierung wird stetig Kredite aufnehmen, um das BIP-Ziel zu halten», erwartet Nomura. Die Staatsschuldenquote von 22,5% im Jahr 2015 werde daher auf 60% im Jahr 2050 steigen.

Der Staat muss nun die Investitionen hoch halten, um das Wachstum zu stabilisieren. Dagegen investieren die Unternehmen kaum noch.

Quelle: Société Générale

Die Privathaushalte sind bisher noch wenig verschuldet. Doch das ändert sich.

Der Anteil der vergebenen Hypotheken an neuen Krediten ist über die letzten Monate stetig gestiegen. Private Immobilienkredite machen nun 18% der Gesamtverschuldung aus – so viel wie seit 2008 nicht mehr.

Gemäss den letzten Zahlen wächst die Kreditvergabe an Haushalte doppelt so schnell wie die an Unternehmen.

«Das Problem von mehr Hypotheken ist, dass das die Preise im Immobilienmarkt steigen lässt», erläutert Florence Pisani. «Und die Häuserpreise sind jetzt schon hoch.»

Immobilienblase befürchtet

Schon jetzt gibt es Sorgen um eine Immobilienblase. In den grössten Städten sind die Preise über die letzten zwölf Monate um 25% gestiegen.

«Der Trend, dass der Haushaltssektor die Verschuldung bei nicht nachhaltigen Vermögenspreisen schnell erhöht, könnte die Stabilität des gesamten Systems gefährden», warnt SocGen-Analystin Yao.

Die Entscheidungsträger in China sind in einem gefährlichen Spiel gefangen. Sie wollen die Schuldenlast senken, das Wachstum stabilisieren, den Markt nicht mit Zahlungsausfällen verschrecken und gleichzeitig Preisblasen vermeiden.

Die Unfallgefahr für die chinesische Wirtschaft bei diesem Spiel ist gross – trotz optimistischer Konjunkturprognosen.