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«Chancen orten wir bei Aktien von Schwellenländern»

Auch der chinesische Markt bietet laut Brill eine Einstiegsopportunität.

Herr Brill, die letzten Monate fielen an den Finanzmärkten ziemlich turbulent aus. Wie schätzen Sie gegenwärtig das Umfeld ein? - Der Wirtschaftsaufschwung ist in die Jahre gekommen, gerade auch in den USA. Und je länger er dauert, desto mehr nimmt die Unsicherheit zu. Die Turbulenzen, die wir jüngst an den Märkten gesehen haben – die Schwäche im vierten Quartal und die anschliessende Erholung –, sind ein typisches spätzyklisches Phänomen. Sie reflektieren die Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Konjunkturentwicklung.

Wie dürfte es an den Aktienmärkten konkret weitergehen? Sehen Sie trotz der konjunkturellen Eintrübung Potenzial, dass sich die Kurserholung fortsetzt? - Unserer Meinung nach bleiben die Chancen für eine weitere Kursbewegung nach oben intakt. Erhöhte Unsicherheiten können sich allerdings immer wieder in heftigeren Kursausschlägen manifestieren. Zudem dürften die Aktienmärkte nicht als Gesamtes avancieren, sondern sich die Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren und Titeln verstärken. Das sind alles Phänomene, die es Anlegern erschweren, sich zu positionieren. Ein gutes Risikomanagement ist in diesem Umfeld zentral.

Wo orten Sie Einstiegsgelegenheiten? - Die sehen wir beispielsweise bei Aktien aus Schwellenländern. Ein Grund ist die im Vergleich zu den Industriestaaten niedrigere Bewertung – gerade auch, weil der Rebound seit Dezember in den Emerging Markets weniger deutlich ausfiel. Eine weitere Einstiegsopportunität bietet der chinesische Markt. Soeben hat die Regierung weitreichende Steuererleichterungen angekündigt, und auch sonst wird in diesem Land nicht gekleckert, sondern geklotzt. Die Chancen stehen gut, dass sich dies vorteilhaft auf die chinesische Konjunktur auswirkt. Und das würde ebenfalls den anderen Schwellenländern zugutekommen.

Gerade für die Entwicklung der Emerging Markets haben sich die amerikanische Geldpolitik respektive der Dollar als wichtige Treiber entpuppt. Was sind Ihre Prognosen für den weiteren Zinspfad? - Die US-Geldpolitik ist ein weiterer Faktor, den wir für die Entwicklung der Schwellenländer positiv werten. Das Federal Reserve hat voll auf die Bremse getreten und hat eine Kehrtwende sondergleichen hingelegt. Zinserhöhungen sind vorerst vom Tisch – und das kommt letztlich auch den Schwellenländern zugute.

Hat Sie die klare Abkehr der US-Notenbank von weiteren Zinserhöhungen überrascht? - Wir haben durchaus erwartet, dass das Fed den Autopiloten bei den Zinserhöhungen ausschaltet und das Steuer wieder in die Hand nimmt. Aber dass man so extrem reagiert, hätten wir nicht gedacht. Denn eigentlich laufen die Binnenwirtschaft, der Arbeitsmarkt und der Konsum weiterhin rund. Auch die Lohnentwicklung und die Inflation würden objektiv betrachtet eigentlich Zinserhöhungen rechtfertigen.

Agiert die US-Notenbank überhaupt noch eigenständig? Oder hat sie sich dem Druck von Präsident Trump gebeugt? - Die Notenbank ist schon autonom. Sie hat jedenfalls ihr Bestes gegeben, den Marktakteuren zu signalisieren, dass sie ihre Unabhängigkeit wahren wird. Bereits vor der letzten Zinserhöhung im Dezember hatte Trump ja massiv Druck aufgesetzt. Ich denke nicht, dass die Fed-Vertreter ihre über Jahrzehnte aufgebaute Glaubwürdigkeit riskieren wollen.

Welche Entwicklung erwarten Sie in der europäischen Geldpolitik? - Die Europäische Zentralbank hat klar signalisiert, dass sie länger mit einer Zinserhöhung zuwarten wird. Bis anhin wurde kommuniziert, bis Sommer nichts zu unternehmen. Nun wurde dieser Zeitpunkt auf mindestens Ende Jahr hinausgeschoben. Sofern sich die Welt nicht radikal wandelt und plötzlich grosse Wachstums- und Inflationskräfte auftauchen, wird die EZB auf absehbare Zeit die Füsse stillhalten – oder sogar tendenziell wieder stützend eingreifen. Wie beispielsweise mit dem dritten TLTRO-Programm, das ab September das Kreditwachstum ankurbeln soll.

In welchen Bereichen orten Sie aktuell die grössten Risiken im Finanzmarkt? - Über die kommenden Jahre stellt China für die Weltwirtschaft das grösste Risiko dar. Dazu trägt unter anderem die primär im Unternehmenssektor hohe Verschuldung bei. Die grösste Herausforderung ist allerdings struktureller Natur: Das sehr erfolgreiche Wachstumsmodell der letzten zwanzig, dreissig Jahre – eine auf Export abgestützte Expansion – ist an seine Grenzen gestossen. Dieses Problem wird von demografischen Trends verstärkt. So schrumpft die Arbeitsbevölkerung bereits.

Was sind die konkreten Folgen? - Unserer Meinung nach stehen die Chancen zwar gut, dass die chinesische Konjunktur kurzfristig stabilisiert werden kann. Auf längere Sicht gerät das Wirtschaftswachstum aber definitiv weiter unter Druck. Das chinesische Bruttoinlandprodukt wird im Trend nicht mehr wie bis anhin mehr als 6% pro Jahr wachsen, sondern weniger als 4%. Diese Verlangsamung dürfte durchaus schon im kommenden Jahrzehnt einsetzen.

Gibt es zurzeit andere globale Risiken, die Ihrer Meinung nach zu wenig Beachtung finden? - Eine Gefahr liegt meines Erachtens darin, dass die Risikowahrnehmung der Anleger abstumpft. Über die letzten zwei, drei Jahre sahen sich die Finanzmärkte mit diversen Gefahrenherden konfrontiert – darunter etwa der Wahl von Donald Trump, dem zeitweisen Regierungsstillstand in den USA oder dem Brexit. Doch jedes Mal ist alles zumindest kurzfristig gutgegangen. Wahrscheinlich haben auch die Eingriffe des Fed, der EZB und der chinesischen Regierung die Ansicht zementiert, die Währungshüter oder die Behörden würden im Bedarfsfall ja schon eingreifen. Das ist riskant, denn diese Praxis stösst irgendwann auch an ihre Grenzen.

Welchen Rat würden Sie Anlegern geben, wie sie im aktuellen Marktumfeld das Portfolio strukturieren sollten? - So banal es klingen mag: Es lohnt sich, die Grundregeln zu beachten. Diversifikation ist in diesem Marktumfeld ausgesprochen wichtig. Einzelne Aktien können bereits wegen sehr wenig abgestraft werden. Jüngst hat etwa der US-Warenhausbetreiber Macy’s die Wachstumsprognosen leicht nach unten revidiert und musste dafür einen Kursverlust von knapp 20% einstecken. Das ist typisch für diese Phase des Zyklus: Ein breiter Index kaschiert oft, dass auf Ebene der Einzeltitel eine hohe Volatilität zu verzeichnen ist. Zudem muss man sich überlegen, wie viele Kreditrisiken man noch eingehen sollte.

Was bedeutet Letzteres konkret? - Das High-Yield-Segment ist bislang zwar gut gelaufen. Je anfälliger der Wirtschaftszyklus jedoch wird, desto anfälliger werden auch die Hochzinsanleihen. Gerade mit dem jüngsten Rückgang ist das Zinsniveau im Euroraum und in der Schweiz inzwischen sehr unattraktiv sowie das Chancen-Risiko-Profil stark asymmetrisch geworden. Es gibt sehr wenig Rendite zu holen, doch tut es Anlegern ziemlich rasch weh, sobald die Zinsen wieder zu steigen beginnen. Verglichen mit der strategischen Benchmark halten wir deshalb die Duration niedriger als üblich.

Welche Anlageklassen ausserhalb der Aktien- und der Anleihenmärkte würden Sie im gegenwärtigen Umfeld empfehlen? - Im aktuellen Umfeld mit niedrigen oder negativen Zinsen sowie der allgemeinen Unsicherheit ist Gold eine interessante Beimischung. Einerseits trägt es mit seinen diversifizierenden Eigenschaften zu einem effizienteren Portfolio bei. Gleichzeitig fällt das Argument, dass Gold keinen laufenden Ertrag abwirft, im derzeitigen Zinsgefüge kaum ins Gewicht. Dafür erhält man gleichzeitig aber die Chance auf eine Preissteigerung.

Auf welche Aktien würden Sie setzen? - Im aktuellen Marktumfeld lohnen sich eher defensive Strategien. Man sollte auf Unternehmen von hoher Qualität fokussieren – also Gesellschaften mit einem guten Geschäftsmodell, einem stabilen Cashflow und hoher Bilanzqualität. Dazu zählen wir etwa Nestlé, Roche, Emmi, Estée Lauder und Google.

Gibt es Branchen, die Sie unter den genannten Gesichtspunkten als besonders attraktiv erachten? - Wir halten beispielsweise das Thema Future Health für interessant. Wir empfehlen, in Unternehmen zu investieren, die von langfristigen Trends im Gesundheitssektor profitieren. Wichtige Treiber sind hier etwa Themen wie Demografie und Digitalisierung.

Können Sie konkrete Namen nennen? - Aktien von Unternehmen wie Intuitive Surgical, Illumina, Becton Dickinson oder die chinesische Ping An Healthcare and Technology werden vom Demografie- und vom Digitalisierungsthema übermässig profitieren.