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Bye-bye, Trennbankenidee

Schon im Wahlkampf sprach US-Präsident Donald Trump davon, das Trennbankensystem wieder ins Leben zu rufen. Seit der Glass-Steagall-Act 1999 aufgehoben wurde, gibt es keine strikte gesetzliche Trennung des Investment- und Verbrauchergeschäfts bei US-Banken. Nicht wenige argumentieren, dass ein Trennbankensystem zu mehr Sicherheit im Bankgeschäft beitragen könnte, indem die besonders riskanten Investmentbank-Aktivitäten von den anderen Tätigkeitsfeldern von Universalbanken (z. B. Einlagengeschäft, Zahlungsverkehr, Kreditgeschäft mit Privat- und Firmenkunden) getrennt werden.

Dadurch sollen zwei weitgehend separierte Bankkreisläufe entstehen. Investmentbanken, die einen hohen Kapitalbedarf haben, können in einem Trennbankensystem nicht mehr vom Einlagengeschäft der Geschäftsbank profitieren. Die Finanzierungskosten für Investmentbanken würden steigen, da im Krisenfall keine staatliche Rettung erwartet werden dürfte: Im Gegensatz zu den Geschäftsbanken würden Investmentbanken in einer Finanzkrise keine oder nur eine sehr begrenzte staatliche Unterstützung erhalten. Die höheren Kapitalkosten würden zu einem geringeren Wachstum des Investmentbankbereichs führen; selbst wenn Investmentbanken in Schräglage gerieten, liessen sich die gesunden Teile des Bankensystems weiterführen.

Dem muss allerdings entgegengehalten werden, dass im heutigen modernen Finanzsystem der Denkweise von «separierten Bankkreisläufen» etwas Naives anhaftet. Über vielfältige Kanäle sind Finanzinstitute eng vernetzt, sodass eine Rettung zur Vermeidung von Dominoeffekten gerade in Verbindung mit der Too-big-to-fail-Problematik selbst in einem Trennbankensystem schnell unausweichlich sein kann. Das ist etwa der Grund, warum in der Finanzkrise Bear Stearns, eine Investmentbank, und AIG, eine Versicherung, gerettet wurden. AIG hatte keine Kundeneinlagen, aber Verpflichtungen gegenüber Investmentbanken, die bei einem Ausfall von AIG ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen worden wären.

Die Mischung macht’s

Fasst man die vielen Studien zusammen, welche die Muster der während der Finanzkrise in Nöte geratenen Banken analysieren, ist das Versagen von Banken weniger eine Frage des vorherrschenden Bankensystems; vielmehr kommt eine klare Mehrheit der Publikationen zur Aussage, dass diejenigen Unternehmen in existenzielle Nöte geraten sind, die generell eine Hochrisiko-Geschäftsstrategie kombiniert mit nicht traditionellen Refinanzierungsmodellen verfolgt haben. Es ist schwer zu erkennen, wie ein Trennbankensystem dies verhindert hätte. Schon gar nicht hätte es geholfen, reine Investmentbanken wie Lehman Brothers vor einem Untergang zu bewahren.

Die empirische Forschung zu diesen Sachverhalten steht vor allem nach der Finanzkrise dem Konzept von Universalbanken etwas kritischer gegenüber als zuvor. Unbestritten ist, dass das Investmentbankgeschäft besonders risikoreich ist, verglichen mit den Aktivitäten von Geschäftsbanken. Einige Forschungsarbeiten befassen sich unter anderem mit der Frage, ob und in welchem Umfang eine «Mischung» von Investmentbank- und Geschäftsbankaktivitäten sinnvoll sein kann. Es zeigen sich deutliche Hinweise darauf, dass Universalbanken mit einem relativ geringen Anteil an Investmentbankaktivitäten insgesamt weniger krisenanfällig sind als die Alternativen von reinen Investment- und Geschäftsbanken.

Es gibt aber auch Hinweise, dass Banken mit einem umfassenderen Leistungsspektrum eher dazu neigen, höhere Risiken einzugehen und damit Diversifikationsvorteile überkompensieren können. Eine zentrale Quelle des Systemrisikos im Finanzsektor scheint von Hedge Funds auszugehen. Investmentbanken dienen als Transmissionsmittel zur Übertragung dieser Risiken auf die anderen Bereiche des Finanzsektors (Geschäftsbanken, Versicherungsunternehmen). Diese wissenschaftlichen Ergebnisse sprechen eher dafür, kein reines Trennbankensystem einzuführen, aber den Einfluss des Investmentbankgeschäfts auf die Gesamtbank in engen Grenzen zu halten.

Die Hauptfaktoren für systemisches Risiko werden in einem sehr starken Kreditwachstum, einer unzureichenden Eigenkapitalbasis und einem hohen Anteil an kurzfristiger Kapitalmarktfinanzierung gesehen. Genau in diese Richtung bewegte sich die Regulierung in den vergangenen Jahren, indem diese Risikofaktoren etwa in der neuen Regulierung von Basel III berücksichtigt werden. Die Frage eines Trennbankensystems hat eigentlich keinen Einfluss auf diese neuralgischen Risikofaktoren. Daher scheint die Diskussion um die Einführung eines Trennbankensystems in Wahrheit am Thema vorbeizuführen und stellt eher einen Nebenschauplatz der Debatte um die Reduktion des Systemrisikos dar.

Wenn auch in unterschiedlichem Ausmass, hat sich die Regulierung in den wichtigen Bankenplätzen tendenziell in Richtung einer funktionalen und organisatorischen (Ring Fencing, Abwicklungspläne, etc.) und weniger einer institutionellen Abtrennung entwickelt. Man könnte also von einem «desintegrierten» Universalbankenmodell sprechen – zwischen Universalbanken- und Trennbankenmodell. Freilich ungelöst bleibt der Umstand, dass viele Banken nach wie vor sehr gross und vernetzt sind, die Effektivität der entwickelten Abwicklungsmechanismen bei weitem nicht erprobt ist und die Lektüre der Abwicklungs- und Sanierungsplanung eher den Eindruck purer Theorie erweckt. Selbst wenn Bail-outs in Zukunft ausgeschlossen sein sollten (was man durchaus aus politischer Sicht bezweifeln kann), kann ein umfangreicher Bail-in durch Shareholder und Investoren ebenfalls ein Systemrisiko darstellen. Auch dies bleibt bisher weitgehend ungetestetes Gebiet.

Eine Führungsfrage

Erinnert sei daran, dass in der provokanten Publikation zum Thema («Capitalist Fools», 2008) von Nobelpreisträger Joseph Stiglitz – einer der vehementesten Verfechter des Trennbankensystems – seine wortgenaue Argumentation meistens unterschlagen wird. Stiglitz argumentiert, dass die Verschmelzung von Investment Banking mit dem Kommerzgeschäft dazu führte, dass sich in der Gesamtorganisation zunehmend die Investment-Banking-Kultur durchsetze, eine Kultur, die durch hohe Renditen, hohes Leverage und hohen Risikoappetit geprägt sei. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil die Argumentation nicht die üblichen Diversifikations- und Systemrisiken in den Vordergrund stellt, sondern auf die Kultur- und Führungsebene verweist.

Sowohl der von der UBS damals selbst erstellte Bericht wie auch der Bericht der damaligen Eidgenössischen Bankenkommission zu den Ursachen der Wertberichtigungen der Schweizer Grossbank während der Finanzkrise betonen an verschiedenen Stellen als übergeordnetes Erklärungsmuster für die damalige Notlage ebenfalls die Kultur- und Führungsfragen in Verbindung mit dem Investment Banking. Die Gefahr einer zu risikofreudigen Unternehmenskultur und -strategie bleibt wohl das eigentliche Risiko, ob nun in einem Universal- oder Trennbankensystem.

Vergangene Woche hat das amerikanische Finanzministerium einen ersten Vorschlag für eine Reform der US-Finanzmarktregulierung veröffentlicht, die keinerlei Hinweise auf die im Wahlkampf propagierte Wiederbelebung des Trennbankensystems enthält. Damit dürfte das Thema in den Vereinigten Staaten vom Tisch sein. Wohl zu Recht, wenn man die wissenschaftliche Diskussion zur Kenntnis nimmt. Trumpsche Politik (für einmal) basierend auf wissenschaftlichen Fakten.