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Borgward – der Versuch einer Renaissance

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Der Borgward, einst: Vertreter des deutschen Wirtschaftswunders – und des Lebensgefühls einer Generation.

Die Automarke Borgward probiert ihr Comeback. Nach einem Dornröschenschlaf von mehr als einem halben Jahrhundert wurde Mitte September, genau am 15. um Punkt 12.50 Uhr, das erste neue Modell anlässlich der Frankfurter Automobilmesse der Öffentlichkeit vorgestellt. Und zur grössten Automobilausstellung in China an der Auto China präsentierte Borgward den SUV BX7, der nun im Reich der Mitte in den Verkauf geht. Bis es so weit kam, brauchte es die Idee eines stolzen Enkels, das Know-how und die Kompetenz eines Strategieberaters und die Einbindung globaler und finanzkräftiger Partner. Eine Geschichte, deren Anfang in Luzern geschrieben wurde, und in der China eine wichtige Rolle spielt.

Die für Geschichte affinen Autofans wissen: Borgward ist eine Traditionsmarke aus Bremen, die einst eine breite Palette an Fahrzeugen anbot und im Segment der Mittelklasse ganz vorne mitmischte. Die Marke Borgward war von 1919 bis 1961 ein Begriff auf den Strassen der Welt und ein sogenannter Vollportfolioanbieter, der vom Pkw über Transporter auch Lastwagen und Busse produzierte. Noch heute ist der in Hamburg-Altona geborene Gründer, Konstrukteur und Unternehmer Carl F. W. Borgward weltweit für seine innovativen Ideen bekannt – und sein elegantes Design für viele ein Begriff.

Manche Autofans erinnern sich gewiss an das legendäre Modell Isabella Coupé von 1957: ein 4-Zylinder-Reihenmotor in einem eleganten Auto. Dieses Automobil hatte zur damaligen Zeit erstmals eine hydraulische Kupplung und galt als einer der schönsten Exponenten der Mittelklasse. Es wurde zur Ikone der automobilen Nachkriegszeit in Deutschland und zu einem Symbol für das deutsche Wirtschaftswunder. Jetzt, nach mehr als einem halben Jahrhundert, wird Borgward, eine der angesehensten Marken der deutschen Automobilindustrie, wieder zum Leben erweckt. Dass dabei Luzern eine Hauptrolle spielt, wissen selbst unter Einheimischen nur die wenigsten.

China als prioritärer Markt

Vor mehr als zehn Jahren begannen der Enkel des Firmengründers, Christian Borgward, und der deutsche Unternehmer und Wahl-Luzerner Karlheinz L. Knöss am Comeback zu arbeiten. Beharrlich und intensiv. Sie fanden mit dem norwegischen Auto-Designer Einar J. Hareide einen Spezialisten und finanzierten das Vorprojekt aus eigener Tasche. Macher Knöss und Namensgeber sowie DNA-Träger Borgward gründeten dafür in Luzern eigens die Borgward. Das Konzept überzeugte nicht nur eingefleischte Autofans, sondern auch den chinesischen Automobilkonzern Foton, der als einer der globalen Partner von Borgward das milliardenschwere Projekt auf die Spur brachte. Das vor Kurzem in China präsentierte Automobil ist ein sogenanntes Sport Utility Vehicle (SUV), ein Geländewagen also für Städter, und zielt auf Kunden, die ein «erschwingliches Premiumprodukt» ihr eigen nennen wollen. Weitere Wagen sollen folgen. Die Borgward Group, die ihren Hauptsitz im autoverrückten Stuttgart hat, wird nach eigenen Aussagen zukünftig eine breit gefächerte Modellpalette auf den Markt bringen. Sie soll in Deutschland entwickelt werden.

Der Weg dahin war lang. Knöss, nun auch in der Borgward Group federführend, ist überzeugt, dass das finanzielle Fundament eine solide Basis bietet: «Die Ausstrahlung der Marke und ihre deutsche Herkunft sind ein wichtiger Teil der Erfolgsgeschichte. Noch wichtiger ist es für uns, ein solides Geschäftsmodell zu haben. Die Ausrichtung auf aufstrebende Märkte bietet Chancen.»

China ist der prioritär anvisierte Markt. Die Motorshow in Peking bildete im April den Startschuss für den Verkauf. Geplant ist, jedes Jahr ein neues Modell auf den Markt zu bringen. Später sieht das Projekt vor, zusammen mit lokalen Partnern Produktionsstätten in Indien, Brasilien, den USA und auch in Deutschland zu errichten. Weltweit stehen bald hundertachtzig Händler als Distributionspartner bereit, allein in China sind bereits hundert Händler als Borgward-Retailer aufgestellt. Die Verkaufsziele sind ambitiös: Bis Ende dieses Jahres sollen mehrere 10 000 Autos abgesetzt werden, ab 2020 mindestens 500 000 Einheiten, ab dem Jahr 2025 schon 1,6 Mio. Borgwards pro Jahr. Ob das aufgeht? Zum Vergleich: 1,6 Mio. – das sind immerhin fast so viele Fahrzeuge, wie Mercedes oder Audi im vergangenen Jahr an Mann und Frau gebracht haben.

Von Luzern aus eingefädelt

Christian Borgward und Karlheinz Knöss arbeiteten seit 2005 an der Wiedergeburt der Autolegende in Luzern. Hier fanden sie gute Bedingungen für Investoren und ein attraktives Arbeitsumfeld. Im Stillen, weitab von Autoindustrien, gingen die beiden ans Werk. Knöss ist seit Jahrzehnten im Autogeschäft unterwegs, war früher Pressesprecher und berät heute mit seiner VMAX. Nun hat er noch die Rolle des Vizepräsidenten und des CEO der Borgward übernommen.

Zusammen mit dem Enkel des Autoerfinders will Knöss den Unternehmer- und Pioniergeist von Borgward fortsetzen – nun vor allem mit Hilfe von China. In einem ersten Schritt visiert das Unternehmen vorwiegend den chinesischen Markt mit seiner wachsenden Mittelschicht an. Das ist auch Partner Foton geschuldet. Der besitzt die Markenrechte für Borgward und wird die Produktion verantworten – wenn sich die Chinesen bislang auch nur mit Nutzfahrzeugen auskennen. Doch, wer weiss? Vielleicht kurven Borgward-Karossen bald auch auf Schweizer Strassen. Mit historischem Namen – und in China gefertigt.