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«Bonds von Brasilien und Venezuela sind attraktiv»

Guillaume Rigeade: «Wir bevorzugen europäische Hochzinsanleihen.»

Herr Rigeade, die Emission von Staatsanleihen mit sehr langen Laufzeiten hat zugenommen. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein? - Die Nachfrage nach dreissig-, vierzig- und fünfzigjährigen Bonds steigt, weil kurze Laufzeiten kaum mehr Renditen abwerfen oder gar negativ rentieren. Auch das Angebot nimmt zu, denn die Regierungen profitieren von den günstigen Zinskonditionen und nehmen langfristige Schulden auf. Anleger müssen sich aber bewusst sein, dass diese Papiere Risiken bergen, wenn die Zinsen steigen.

Was meinen Sie damit? - Die Beziehung zwischen Bondpreis und Zinsen ist invers: Steigen die Zinsen, sinkt der Preis. Die Zinssensitivität, oder Duration, eines Bonds ist umso höher, je länger die Laufzeit ist. Bei einer fünfzigjährigen Anleihe wirkt sich daher schon eine kleine Zinsänderung erheblich auf den Kurs aus. Langfristig steigt die Wahrscheinlichkeit für höhere Zinsen. Die Auswirkungen werden sehr viel deutlicher in langlaufenden Bonds zu spüren sein.

Was raten Sie Anlegern? - Investoren müssen ihr Portfolio aktiv verwalten. Eine passive Strategie bildet den Markt ab, wo der Anteil an sehr langen Laufzeiten zunimmt – die Duration steigt also. Ich investiere auch in langfristige Papiere, denn sie bieten einen guten Schutz, wenn die Risikoaversion zunimmt. Ich gehe aber nicht davon aus, dass ich sie bis zum Schluss halte.

Sie investieren an den Obligationenmärkten rund um den Globus. Wo sehen Sie Chancen? - Wir setzen auf Europa. Die Europäische Zentralbank, die EZB, wird ihre ultraexpansive Geldpolitik weiter lockern und die Bondmärkte damit stützen. Zudem hat sich die wirtschaftliche Situation in der Eurozone besser als erwartet entwickelt. So hat etwa die Kreditvergabe der Banken überraschend stark zugenommen.

Welche europäischen Bonds sind besonders interessant? - Wir bevorzugen Unternehmensanleihen, und zwar insbesondere hochverzinsliche, sogenannte Junk Bonds. Im gegenwärtigen Wirtschaftsumfeld nimmt die Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalls ab. Zudem profitiert diese Anlageklasse von den niedrigen Zinsen: Auf der Suche nach Rendite investieren Anleger in riskantere Instrumente, die einen Risikoaufschlag bieten. Aber auch Staatsanleihen von Peripherieländern sind attraktiv. Diese Überzeugung ist aber weniger ausgeprägt, denn das Ansteckungsrisiko nach dem Brexit bleibt ein Risikofaktor.

Investieren Sie auch in amerikanische Hochzinsanleihen? - Ich kann in den USA und in Europa investieren. Ich konzentriere mich aber auf den europäischen Markt. Zwar sind die Risikoaufschläge in den USA höher, das ist aber auch auf den grossen Anteil des Energiesektors zurückzuführen. Mit dem Einbruch des Ölpreises sind die Risikoaufschläge daher überdurchschnittlich gestiegen. Klammert man diesen Effekt aus, sind die Bewertungen in Europa und den USA ähnlich. Zur Gefahr könnte in den USA die Geldpolitik werden. Zwar erwarten wir keinen scharfen Zinsanstieg, doch die amerikanische Notenbankpolitik ist für riskante Anlageklassen deutlich weniger vorteilhaft als in Europa.

Wie bewerten sie das Liquiditätsrisiko im Bondmarkt? - Wir haben in den vergangenen Jahren einen scharfen Rückgang der Liquidität beobachtet, speziell bei Hochzinsanleihen. Das Interesse der Investoren an diesen Bonds ist gestiegen. Viele verfolgen eine Buy-and-Hold-Strategie, das reduziert die Liquidität am Sekundärmarkt. Wegen regulatorischen Massnahmen sind Banken zudem weniger aktiv im Markt als früher. Die Situation dürfte sich kaum ändern. Wir lösen das Problem, indem wir unsere Anlagen stärker diversifizieren. Zudem halten wir mehr Cash, damit wir Anpassungen vornehmen können, ohne dafür Positionen verkaufen zu müssen. Wir leben derzeit in einem One-Way-Markt: Alle kaufen gleichzeitig, alle verkaufen gleichzeitig. In beiden Phasen ist die Liquidität gering.

Welche Sektoren bevorzugen Sie bei Unternehmensanleihen? -

Interessant sind Anleihen von Finanzinstituten. Sie haben seit Jahresbeginn überdurchschnittlich schlecht abgeschnitten. Im Januar und Februar erschütterten Sorgen vor einer systemischen Krise die Finanzmärkte. Das war übertrieben. Die EZB hat in Europa eine Bankenunion geschaffen, die solide genug ist, um eine Systemkrise abzuwenden. Für uns war es eine Chance, das Engagement in diesem Sektor zu vergrössern. Auf Länderebene sehen wir Chancen in den Peripheriestaaten der Eurozone. Wir bevorzugen Emittenten aus Italien, Spanien und Portugal. Die Prämien spiegeln das Länderrisiko, aber auch die Gefahr einer Ansteckung nach dem Brexit.

Setzen Sie bei Staatsanleihen ebenfalls auf die europäische Peripherie? - Ja. Allerdings sind Staatsanleihen ziemlich teuer, auch die Papiere von Peripherieländern. Unsere Präferenzen sind daher weniger stark ausgeprägt. Wir sehen Chancen in Portugal und Griechenland. Spanische und italienische Staatsobligationen sind dagegen sehr teuer, auch nach dem Referendum in Grossbritannien. In diesen Ländern bevorzugen wir Unternehmensanleihen.

Welche Anlagesegmente im Obligationenmarkt meiden Sie? - Skeptisch sind wir gegenüber deutschen Bundesanleihen. Denn hier fehlt ein Faktor, der Investoren anzieht: die Rendite. Die einzige Stütze für Bunds ist ihre Bedeutung als sicherer Hafen. Doch die ist beschränkt. Das haben wir nach dem Brexit gesehen. Die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen sind auf –15 Basispunkte gesunken. Der Spielraum für einen weiteren Rückgang ist limitiert.

Sehen Sie auch Opportunitäten in Schwellenländeranleihen? - Sie sind nicht unsere erste Wahl, aber Schwellenländer sind interessant. Anleihen aus Emerging Markets haben seit 2013 stark gelitten. Die Bewertungen sind daher relativ attraktiv. Es gibt aber Fragezeichen. So bleibt etwa die Wirtschaftslage in China unsicher. Die Korrektur liegt zwar hinter uns, die Erholung steht aber nicht unmittelbar bevor.

Welche Emerging Markets sind attraktiv? - Für manche unserer Portfolios sind wir bereit, eine hohe Volatilität in Kauf zu nehmen. Dann sind Obligationen von Brasilien oder Venezuela interessant, weil sie so billig sind. Diese Länder wurden so stark abgestraft, dass die Anleihen einen Bankrott einpreisen. Das Risiko ist deshalb limitiert, die Chancen auf eine Erholung überwiegen.

Gibt es Alternativen, die weniger volatil sind als Brasilien oder Venezuela? - Es gibt zwei Optionen: Eine hohe Volatilität in Kauf nehmen, das führt zu den genannten Ländern; oder die Suche nach sehr niedriger Volatilität. Das bringt uns zur Peripherie der Peripherie in Europa – dazu zählen etwa Polen oder Ungarn. Es handelt sich um osteuropäische Staaten, die nah an der Eurozone sind und von der wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Notenbankpolitik der EZB profitieren dürften. Zwar zählen sie zu Europas Schwellenländern, doch der Abstand zu den Industrienationen ist klein. Im Bereich zwischen diesen beiden Extrembeispielen ist die Risikoabgeltung nicht besonders attraktiv.

Sie haben die Geldpolitik der EZB angesprochen. Was erwarten Sie in nächster Zeit von den europäischen Währungshütern? - Es ist sehr wahrscheinlich, dass die EZB den Einlagesatz um weitere 10 Basispunkte senken wird. Derzeit liegt er bei –0,4%. Sie dürfte zudem das Wertschriftenkaufprogramm ausweiten. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist das Investmentuniversum zwar limitiert. Aber die EZB kann die Regeln jederzeit ändern, indem sie etwa die Vorgaben bezüglich Laufzeit oder Rendite anpasst. Die einzige Grenze ist der Einfallsreichtum von EZB-Präsident Mario Draghi.