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Bastionen gegen Fake News

Fakten werden zum gefragten Gut: Auch wenn Trump seine Anhänger gegen die Medien aufhetzt, sind immer mehr Amerikaner bereit, für seriösen Journalismus zu zahlen.

Donald Trump hat den Medien den Krieg erklärt. Wer kritisch über den US-Präsidenten berichtet, wird von ihm beschuldigt, «Fake News» zu verbreiten und ein «Feind des amerikanischen Volkes» zu sein. Die neue Regierung in Washington bevorzugt harmlose Fragen freundlich gesinnter Journalisten. Etablierte Organisationen wie die «New York Times» und CNN hat sie letzte Woche sogar von einer Pressekonferenz ausgeschlossen.

Der Branche schadet das allerdings kaum. Im Gegenteil: In einer Zeit, in der sich die Grenzen zwischen Nachrichten und Propaganda zusehends verwischen, erlebt kritischer Journalismus ein überraschendes Comeback.

Ein Paradebeispiel ist die «New York Times». Die «graue Lady» lässt sich von Trump nicht einschüchtern und zieht ihn mit soliden Recherchen zur Verantwortung. Sie ist deshalb ein Hauptziel seiner Attacken und wird von ihm als «scheiterndes» Unternehmen verspottet. Die Fakten zeigen jedoch ein anderes Bild: Vor allem im Online-Geschäft verzeichnet die «Times» seit den Wahlen einen Schub.

Im vierten Quartal hat sie fast 300 000 Digitalabonnements verkauft, was dem grössten Zuwachs seit der 2011 eingeführten Bezahlschranke entspricht. Insgesamt hat die Zahl der Online-Abonnenten vergangenes Jahr rund 50% auf 1,9 Mio. zugenommen. Im Februar ist die Gesamtleserschaft erstmals über 3 Mio. gestiegen.

«Das ist ein wichtiger Wendepunkt für uns», sagte CEO Mark Thompson vor ­wenigen Tagen bei der Präsentation des Quartalsergebnisses. «Dank zuverlässiger Berichte und Analysen strömen uns die Leser in dieser folgenschweren Zeit in Scharen zu», meinte er weiter. Um das publizistische Angebot zu verbessern, investiert das Traditionshaus dieses Jahr zusätzliche 5 Mio. $ in die Belegschaft, wobei speziell investigative Reportagen im Washington-Büro gefördert werden sollen. «Dieser Nachrichtenzyklus hat noch viel Schwung, der über die nächsten Monate und möglicherweise Jahre hinaus anhalten wird», meinte Thompson.

Boom im Digitalgeschäft

Die «New York Times» ist kein Einzelfall. Auch andere führende US-Zeitungen wittern Morgenluft. Die «Washington Post», die im Herbst 2013 von Amazon-Gründer Jeff Bezos übernommen wurde, hat ihre Leserschaft vergangenes Jahr um 75% erweitert. Im digitalen Geschäft haben sich die Einnahmen mehr als verdoppelt. Über einen ähnlichen Trend berichtet das «Wall Street Journal». Das Finanzblatt, das zur News-Corp-Gruppe von Medientycoon Rupert Murdoch gehört, hat allein im vierten Quartal 110 000 Online-Abonnenten gewonnen. Mit insgesamt 1 Mio. machen sie inzwischen mehr als die Hälfte der ­Leserschaft aus.

Hoffnung auf ein Revival geben der Branche zwei Faktoren. Erstens hat sie nach einigen Anlaufschwierigkeiten gelernt, wie man sporadische Leser zu dauerhaften Kunden macht. «Die Zeitungen verstehen heute viel besser, wer ihre Internetseiten frequentiert, und wissen genau, wie und zu welchem Zeitpunkt die Bereitschaft am grössten ist, ein Einstiegsabonnement zu kaufen», sagt Medien­experte Ken Doctor. Das Onlinegeschäft habe deshalb bereits vor den Wahlen angezogen. «Zweitens haben Trumps Wahlsieg und seine kontroverse Politik den Zulauf jetzt erheblich beschleunigt», meint Doctor weiter.

Wie nachhaltig diese Entwicklung ist, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass sich das Geschäftsmodell der grossen US-Zeitungen grundlegend ändert. Wichtigste Einnahmequelle waren traditionell die Anzeigen im Printbereich. Gemäss dem Marktforscher GroupM ist der Gesamtumsatz in diesem Geschäft in den letzten zehn ­Jahren aber fast 60% auf 14 Mrd. $ gesunken und wird sich 2017 auf weniger als 13 Mrd. $ verringern. Diesen Anzeigenschwund mit digitalen Inseraten zu kompensieren, ist kaum möglich, da Internetriesen wie Google und Facebook den Markt dominieren. So sind die Einnahmen der «New York Times» trotz des rasanten Wachstums im Internet letztes Jahr um rund 1,5 Mrd. $ stagniert.

Wettlauf um kritische Masse

Zur entscheidenden Frage wird damit, ob eine Zeitung die kritische Masse von zahlenden Lesern erreichen kann. Bei der «Times» beispielsweise kommen Abonnements mittlerweile für über die Hälfte der Einnahmen auf. Zur Jahrtausendwende war es weniger als ein Viertel. Für ein Digital-Abo lässt sich zwar ein weniger hoher Preis verlangen als im Printbereich. Dafür fallen aber Ausgaben für Druck und Vertrieb weg. Dank Skaleneffekten sinken zudem die relativen Produktionskosten, je mehr Kunden eine Zeitung im Internet gewinnt. Hinzu kommt, dass Schwankungen im Geschäftsgang abnehmen, da Werbeeinnahmen in der Regel stark vom Konjunkturzyklus abhängen.

Dass sich in der Zeitungsbranche etwas bewegt, ist Investoren nicht entgangen. Die Aktien der «New York Times» sind seit den Präsidentschaftswahlen mehr als 30% vorgeprescht. «Der Geschäftsausblick stimmt uns zunehmend optimistisch, und wir erwarten, dass der sprunghafte Anstieg bei den Abonnenten über die nächsten Quartale anhält», denken die Analysten von J. P. Morgan.

Qualitätsjournalismus könnte auch ausserhalb der USA wieder vermehrt gefragt sein. In Grossbritannien etwa hat die «Financial Times» nach der Brexit-Abstimmung grossen Zulauf verzeichnet. Mit den Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland stehen 2017 auch auf dem europäischen Kontinent Grossereignisse in der Weltpolitik an.

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