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Bankenplatz Schweiz im Härtetest

Jedes halbe Jahr sind aller Augen auf das neuste Ranking des Global Financial Centres Index (GFCI) gerichtet. Vor allem im Fernen Osten ist das Interesse an dieser Art des internationalen Vergleichs gross, weil er den Aufstieg Chinas und anderer asiatischer Regionen abbildet. Aus Schweizer Sicht musste man sich lange Zeit keine Sorgen machen, wenn der neuste GFCI publiziert wurde. Trotz Turbulenzen im Gefolge der Finanzkrise figurierten Zürich und Genf zuverlässig in den vorderen Rängen. Doch im neusten GFCI vom März 2018 haben die beiden Städte plötzlich eine starke Abstufung erlitten. Zürich hat sieben Ränge verloren und ist nun auf Platz 16, Genf ist gar zehn Ränge zurückgefallen und ist nun auf Platz 26. Kein anderes Land hat in jüngster Zeit so stark an Terrain eingebüsst wie die Schweiz.

Schaut man die Zahlen etwas genauer an, sieht der Abstieg zwar weniger dramatisch aus, als der deutliche Rangverlust vermuten lässt. Zürich hat nur relativ an Gewicht verloren, nicht absolut, und ist auf dem europäischen Kontinent nach wie vor die Nummer eins – vor Frankfurt, Luxemburg und Paris. An fünfter Stelle folgt bereits Genf. Die Schweizer Finanzplätze sind also durchaus noch im Rennen. Zudem sollte man solche Rankings nie zum vollen Nennwert nehmen. Die Gewichtung der verschiedenen Faktoren ist willkürlich, sodass immer wieder unerklärliche Ausreisser auftauchen. So hat zum Beispiel Hamburg innerhalb eines halben Jahres 38 Ränge gutgemacht. Die Herausgeber des GFCI haben dafür keine gute Erklärung.

Die goldene Zeit ist vorbei

Gleichwohl wäre es leichtsinnig, den Abstieg Zürichs und Genfs zu einem blossen statistischen Ausrutscher zu erklären, denn es gibt durchaus Anzeichen, dass die goldene Zeit vorbei ist. Der Umfang der ausländischen Privatvermögen, die in den Depots von Banken in der Schweiz liegen, ist gemäss Statistik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zwischen 2007 und 2016 um 55% gesunken. Berücksichtigt man, dass ein konservativ strukturiertes Depot mit einem Aktienanteil von 25% in derselben Zeit etwa 38% zugenommen hat, zeigt sich eine geradezu dramatische Verschlechterung. Es stimmt zwar, dass die Depots von ausländischen institutionellen Investoren eine Wertsteigerung erfahren haben, was darauf hindeutet, dass der Finanzplatz Schweiz nach wie vor eine gewisse Attraktivität ausübt, doch die Wertsteigerung beträgt nur 30%, was deutlich unter der Performance eines konservativ strukturierten Depots liegt.

Eine weitere Zahl, die aufhorchen lässt, ist der Rückgang der Wertschöpfung der Bankbranche. Sie lag 2017 bei rund 30 Mrd. Fr. und entspricht etwa derjenigen der schweizerischen Versicherungsbranche. Noch vor zehn Jahren herrschten ganz andere Verhältnisse. Die Banken erwirtschafteten eine Wertschöpfung von 74 Mrd. Fr., die Versicherer hingegen nur 27 Mrd. Fr. Zum ersten Mal in der schweizerischen Wirtschaftsgeschichte liegen Bahnhofstrasse und Mythenquai gleichauf. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Versicherer die Banken überflügelt haben.

Der Abstieg der Schweizer Banken lässt sich leicht erklären. Die Finanzkrise hat nicht nur die internationalen Expansionsträume der Grossbanken jäh beendet, sondern auch das Bankgeheimnis gegenüber ausländischen Kunden fast über Nacht aufgehoben. Damit ist die Zeit der hohen Margen endgültig vorbei. Seit den Neunzigerjahren wurde versucht, das Bankgeheimnis schrittweise an die veränderten internationalen Verhältnisse anzupassen. Mit der Unterzeichnung des Qualified Intermediary Agreement von 2001 erklärten sich die Banken in der Schweiz zu umfassenden Dokumentationspflichten für alle US-Kunden, die US-Wertschriften hielten, bereit. Im Rahmen des Betrugsabkommens mit der EU sicherte die Schweiz internationale Amts- und Rechtshilfe zu, wenn ein Verdacht auf die Hinterziehung von indirekten Steuern bestand. Doch all diese Aufweichungen halfen nicht, den grossen Schock von 2009 zu verhindern. Seither ist ein schmerzhafter Anpassungsprozess im Gang.

Stabilitätsbonus

Wird der Bankenplatz Schweiz seine internationale Bedeutung bald vollständig verlieren? So weit dürfte es nicht kommen, denn sein Erfolg beruhte in der Vergangenheit stets auf mehreren Faktoren, nicht allein auf dem Bankgeheimnis. Ausländer brachten ihr Vermögen im 20. Jahrhundert primär in die Schweiz, weil sie hier ein stabiles politisches Umfeld vorfanden. Seit 1848 war es nie mehr zu einer ernsthaften bürgerkriegsähnlichen Situation gekommen.

Der Landesstreik von 1918 stellte zwar den inneren Zusammenhalt des Landes auf die Probe, war jedoch im Vergleich zu den Aufständen in Deutschland, Österreich oder Italien harmlos und endete nach wenigen Tagen mit der Kapitulation des Oltener Aktionskomitees. Der sogenannte Frontenfrühling der frühen Dreissigerjahre, als autoritäre Staatsmodelle auf eine gewisse Faszination in der Schweiz stiessen, dauerte nur kurz. Der Aufbruch der kommunistischen Partei der Arbeit (PdA) am Ende des Zweiten Weltkriegs blieb marginal. Die Unruhen Ende der Sechzigerjahre in Zürich muss man als Fussnote bezeichnen, wenn man sie in Beziehung setzt zu den Ereignissen in Berlin, Paris oder den USA. In den Siebzigerjahren formierten sich links und rechts starke Oppositionsbewegungen, aber sie hielten sich meist an die Regeln der direkten Demokratie. Auf diesem Humus gediehen keine Terrorbewegungen, die die öffentliche Ordnung in Frage stellten.

Von Vorteil war auch stets die monetäre Stabilität der Schweiz. Nach dem Ersten Weltkrieg, als der erste grosse Zufluss von ausländischen Kapitalien stattfand, waren die umliegenden Länder geplagt von Inflation und Währungsabwertung. 1922 erlebte die neu gegründete Republik Österreich eine Hyperinflation, 1923 die Weimarer Republik. Anschliessend sorgte eine Währungsreform für Stabilität, aber auch für viel Bitterkeit, weil grosse Teile der Ersparnisse unwiederbringlich verloren gingen. In Frankreich und Italien blieb die Inflationsrate bis in die zweite Hälfte der Zwanzigerjahre im zweistelligen Bereich, bis die Zentralbanken endlich durchgreifen konnten.

In den neutralen Kleinstaaten Niederlande, Schweden und Schweiz hingegen gelang es, die aus dem Krieg ererbte Inflation bereits Anfang der Zwanzigerjahre unter Kontrolle zu bringen. Entsprechend waren Amsterdam, Stockholm und Zürich die bevorzugten Zielorte von Fluchtkapital aus den Inflationsländern. Nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholte sich die Geschichte. Namentlich Deutschland erlebte wiederum in den unmittelbaren Nachkriegsjahren ein mehrjähriges monetäres Chaos, das erst 1948 mit der Einführung der D-Mark beendet wurde. Die vom Weltkrieg verschonte Schweiz hingegen hatte die Mittel, den Franken stabil zu halten.

Sicherer Hafen

Wir sind heute zum Glück weit weg von der Gefahr eines militärischen Konflikts in Europa, der mit den beiden Weltkriegen zu vergleichen wäre. Aber die wiederholte Aufwertung des Frankens während der Eurokrise hat gezeigt, dass die Schweiz nach wie vor über einen Stabilitätsbonus verfügt. Ausländische Anleger schätzen es, wenn sie einen Teil ihres Vermögens in einem sicheren Land parken können. Angesichts der stärkeren politischen Polarisierung könnte das Bedürfnis nach Stabilität sogar wieder grösser werden. Die Rolle eines sicheren Hafens dürfte die Schweiz also weiterhin ausüben können, wenn auch nicht mehr im selben Ausmass wie in der Vergangenheit.

Gewisse Standortpolitiker hoffen, dem Finanzplatz mit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen zu neuem Schwung zu verhelfen. Dies ist jedoch unrealistisch, weil der Finanzplatz kaum auf politische Unterstützung zählen kann. So würde zum Beispiel eine Aufwertung des schweizerischen Kapitalmarktes eine Streichung der Verrechnungssteuer erfordern, was wiederum das Bankgeheimnis gegenüber inländischen Kunden in Frage stellen würde. Es ist schwer vorstellbar, dass ein solcher Systemwechsel an der Urne gutgeheissen würde. Auch die Streichung der Stempelsteuer, die für gleich lange Spiesse gegenüber konkurrierenden Finanzplätzen wie London oder Luxemburg sorgen würde, dürfte auf grossen politischen Widerstand stossen.

Deshalb bleibt den Schweizer Banken nichts anderes übrig, als den steinigen Weg weiterzugehen, den sie 2009 eingeschlagen haben, nämlich möglichst schnell und ideenreich ihre internationale Stärke, die Vermögensverwaltung für ausländische Kunden, an die neue Zeit anzupassen.

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