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Der Überflieger und Untertaucher

Wer war zuerst auf dem Mond? Die Amerikaner? Von wegen! Drei Belgier, anno 1954: Tintin, Capitaine Haddock und – Professeur Tryphon Tournesol. Balduin Bienlein, wie er in den deutschen Bänden von «Tim und Struppi» heisst, hat der geniale Zeichner Hergé nach dem Vorbild des Schweizers gestaltet, bloss zwei Köpfe kleiner und nahezu taub. Piccard soll nicht geahnt haben, dass just er, mit dem Kranz einer Gelehrtenmähne um die Halbglatze, mit Bockbärtchen und runden Brillengläsern, für Bienlein Modell stand. Kein Zufall übrigens, dass der Kapitän des Raumschiffs Enterprise, in der Kultserie «Star Trek», Jean-Luc Picard heisst.

Der echte Piccard war Forscher und Popstar zugleich. Er blieb nicht im Labor, in der Werkstatt, im Hörsaal, sondern wollte hoch hinaus und tief hinunter, wo noch keiner vor ihm gewesen war – auch ein Jules Verne hätte seine Freude gehabt an ihm. Piccards Laufbahn ist kein Zufall. Er wurde in Basel in eine Familie von Wissenschaftlern geboren und bildete sich am Polytechnikum in Zürich (der späteren ETH) zum Maschineningenieur aus. Dort lehrte er Mechanik und Physik, bis er 1922 einem Ruf an die Université libre de Bruxelles folgte.

1931, am frühen Morgen des 27. Mai, stieg Piccard auf: in die Stratosphäre, die zweite Schicht der Atmosphäre, die ab 15 000 Meter über Meer beginnt. Zusammen mit seinem Assistenten Paul Kipfer aus Biel bestieg er in Augsburg (Bayern) einen eigens konstruierten Ballon, der eine Kapsel trug. Trotz etlicher Pannen – die Expedition hätte ohne weiteres im Desaster enden können – erreichten sie eine Höhe von 15 781 Metern und führten wissenschaftliche Messungen durch: kosmische Strahlung, chemische Zusammensetzung der Luft, Temperatur. Dabei ging es ihm auch darum, experimentell die Theorien seines Freundes Albert Einstein zu stützen.

Piccard war der erste Mensch, der die Erdkrümmung sehen konnte. Nach siebzehn Stunden landeten die beiden gesund und halbwegs munter auf einem Tiroler Gletscher, wo sie in der Kapsel übernachten mussten. Tags darauf gelangten sie nach Sölden – im Triumphzug. Ein Jahr später stieg Piccard von Dübendorf aus auf über 16 000 Meter und landete sicher beim Gardasee.

Während des Zweiten Weltkriegs lebte und arbeitete Piccard wieder in der Heimat – Belgien war besetzt –, kehrte aber danach an die ULB zurück. Sein Rekordhunger, sein Pioniergeist waren noch längst nicht gestillt. Er konstruierte das Tiefsee-U-Boot, ein Batyscaphe (nach dem griechischen «bathos» für Tiefe bzw. «skaphos» für Schiff), mit dessen zweiter Ausführung, der «Trieste», Piccard und sein Sohn Jacques 1953 im Mittelmeer auf 3150 Meter Tiefe vorstiessen. Ein Jahr später emeritierte Auguste Piccard und liess sich bei Lausanne nieder.

Jacques Piccard hatte sein Fachgebiet der Ökonomie aufgegeben, um in Papas Fussstapfen zu treten. 1960 tauchte die «Trieste», die mittlerweile der U.S. Navy gehörte, mit ihm und dem Amerikaner Don Walsh an Bord auf den Grund des Marianengrabens im Pazifik. Das U-Boot musste 10 916 Meter unter dem Wasserspiegel einem ungeheuren Druck standhalten. Piccard Sohn und sein Gefährte froren in der stockdunklen Tiefe genauso wie einst Piccard Vater und Paul Kipfer weit am Himmel oben.

Reifere Generationen werden sich daran erinnern, dass Jacques Piccard anlässlich der Expo 1964 in Lausanne mit dem auf «Auguste Piccard» getauften Mésoscaphe (gebaut für mittlere Tiefen bis 750 Meter, mit Platz für vierzig Passagiere) im Genfersee tauchte. Auf etwa tausend Tauchgängen nahm Piccard junior rund 33 000 begeisterte Besucher mit auf den Grund des Lac Léman. Piccard Enkel, Bertrand, führt die wissenschaftlich-abenteuerliche Familientradition fort – mit der Nonstop-Ballonfahrt um die Erde und mit der Weltumrundung im Solarflugzeug.