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Aufgefallen in… Taipeh

Hält man sich etwas länger in Taiwan auf, stolpert man öfter über Referenzen zu Honduras. In einem Chinesisch-Lehrbuch der nationalen Lehreruniversität wird etwa ein Marc Anton eingeführt. In chinesischen Schriftzeichen als Ma An Tong geschrieben, ist dieser Austauschstudent aus Honduras einer der Protagonisten, die taiwanische Eigenheiten wie «stinkenden Tofu» kennenlernen. Auch sonst ist in Taipeh die Zahl der Stipendiaten und der Veranstaltungen mit Bezug zum mittelamerikanischen Land augenfällig.

Das liegt am Wettbewerb Taiwans mit der Volksrepublik China um diplomatischen Einfluss, den die von 23 Mio. Einwohnern bevölkerte Insel schon vor Jahrzehnten verloren hat. Staaten, die eine Beziehung mit dem sich selbst noch Republik China nennenden Land aufrechterhalten, werden von Peking abgestraft.

Der chinesische Bürgerkrieg zwischen Nationalisten und Kommunisten unter Mao Zedong wurde 1949 von Mao gewonnen. Dem Nationalistenführer Chiang Kai-shek blieb nur der Rückzug mit seinem Gefolge auf die 180 Kilometer vom Festland entfernte Insel Taiwan. Die Provinz Taipeh ist damit der überlebende Rest der alten Republik China. Diese hat formal nie aufgegeben, der einzig wahre Rechtsnachfolger des Reichs der Mitte zu sein.

Selbst winzige Länder wie die Pazifik-Inselstaaten Nauru und Kiribati werden von Präsidentin Tsai Ing-wen persönlich umworben, damit sie Taiwan als souveränen Staat akzeptieren. Doch gegen das Riesen-Investitionsbudget aus Peking kann man wenig ausrichten. Honduras ist eines der Handvoll Länder, die Taiwan offiziell noch als souveränen Staat anerkennen. 2018 haben El Salvador und Burkina Faso ihre Anerkennung entzogen.

Echte Demokratien wie Taiwan sind in Asien rar. Doch um die Beziehungen zur Wirtschaftsmacht China nicht zu gefährden, verweigern alle westlichen Industrieländer – inklusive der Schutzmacht USA – dem Staat die Anerkennung. Deswegen fehlen taiwanische Delegationen in vielen Organisationen, inklusive der Vereinten Nationen. Und statt durch Botschaften wird das Land durch «Wirtschafts- und Kulturbüros» vertreten.

Trotzdem versucht man sich weiterhin auf internationaler Bühne zu etablieren. Als der Präsident der Polizeiorganisation Interpol in seinem Heimatland China festgenommen wurde – ein Affront gegenüber der internationalen Gemeinschaft –, hat Taiwan einen Beobachterstatus bei Interpol beantragt. Doch das wurde schnell abgelehnt. Mehr, als Peking zu provozieren, hat man wohl nicht erreicht.

Wenn Taiwaner China besuchen, merken sie schnell, dass Peking sie als Bürger der Volksrepublik betrachtet. Sie erhalten einen speziellen Ausweis der Volksrepublik – ähnlich wie ihn Bürger der Sonderverwaltungszone Hongkong besitzen.

Die 22-jährige taiwanische Studentin Amy, die in Schanghai ein Auslandsemester absolvierte, fühlte sich in China wohl. Bis sie ihren chinesischen Ausweis verlor. Um einen neuen zu bekommen, brauchte sie eine Bestätigung der Universität. Dort verlangte man eine Identifikation. Weil ihr chinesischer Ausweis fehlte, zeigte sie der Universitätsangestellten ihren grünen taiwanischen Pass. Das führte zu einer kafkaesken Situation: «Die Angestellte schaute so, als wüsste sie nicht, was das ist», erzählt Amy. Sie hätte genauso gut den Pass eines Fantasielandes vorweisen können.

Im Hintergrund scheinen die alltäglichen Beziehungen zwischen Taiwan und Peking dann doch zu funktionieren: Das Aussenministerium in Taipeh konnte die Angelegenheit für die verzweifelte Amy schliesslich regeln.

Junge Taiwaner fühlen sich angesichts des mächtigen China auf verlorenem Posten. Wer in Schanghai arbeitet, der verdient mehr als in Taipeh. Wenig spricht dafür, dass sich die Lage zum Besseren wendet. Die Zeiten hohen Wirtschaftswachstums sind vorbei, die Geburtenrate ist die drittniedrigste der Welt, und man ist im Spannungsfeld zwischen China und den USA gefangen.