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Aufgefallen in… Rom

Wer nach Rom reist, kommt nicht daran vorbei. Zwei Jahre nach Kaiser Neros Tod wurde mit dem Bau des grössten Amphitheaters der Antike begonnen, gleich neben dem Goldenen Palast und der überlebensgrossen Kolossalstatue Neros, die dem berühmten Bauwerk seinen Namen gibt: Kolosseum. Der Colossus Neronsis ist längst verschwunden, aber das Kolosseum steht noch immer und lockt jährlich über 5 Mio. Besucher an.

Stadien auf der ganzen Welt wurden und werden nach den architektonischen Grundzügen der gigantischen ovalen Arena gebaut – von der Prämisse, jedem der rund 50 000 Sitz- und Stehplätze eine gute Sicht zu garantieren, bis zur mehrgeschossigen Ringhalle mit zahlreichen tonnenschweren Rundbögen, die ein kompliziertes System von Eingängen ermöglicht und gleichzeitig dem Amphitheater seine weltberühmte äussere Form gibt.

Was weniger bekannt ist: In Rom steht noch ein zweites Kolosseum – und es ist quadratisch. Errichtet wurde es 1850 Jahre später im Rahmen eines nicht weniger megalomanischen Bauprojekts während des italienischen Faschismus.

Drehen wir also die Uhr viele Jahrhunderte vor. 1935 wird im Bureau International des Expositions in Paris die Anfrage für eine Weltausstellung in Rom eingereicht. Das Thema: die Stadt der Zukunft. Es ist nicht das ehrgeizigste Architekturprojekt, mit dem sich der Duce Benito Mussolini verewigen möchte. Zwei Jahre zuvor hat er die Via dei Fori Imperiali gebaut, die einen direkten Weg von seinem Amtssitz zum restaurierten Kolosseum schneidet und für die unter anderem das Cäsar-Forum zugeschüttet wurde.

Auch der neue Bauplan soll die antike Grösse Roms wiederauferstehen lassen. Aber darüber hinaus soll eine Blaupause entworfen werden, die ein für allemal festlegt, wie moderne Städte künftig auszusehen haben. Für die Weltausstellung (Esposizione Universale di Roma, EUR) sollen echte Gebäude entstehen, Strassen und Parks. Mussolini befiehlt, dass alles bis zum 20. Jahrestag der faschistischen Machtübernahme stehen muss: 1942. Zur Ausstellung kommt es zwar nicht mehr, aber die Architekten des Duce entwerfen ein monumentales Stadtquartier im Süden Roms Richtung Meer, das noch heute den Namen EUR trägt.

Dort auf einem Hügel, gut sichtbar, steht der Palazzo della Civiltà Italiana. Sechs Stockwerke, 60 m hoch – acht mehr als das antike Kolosseum –, quadratisch, mit einer Fassade aus weissem Travertin, in die 216 identisch grosse Bögen eingelassen sind, die an das antike Vorbild erinnern. Römer bezeichnen ihn daher als Colosseo Quadrato. Ältere Generationen, für die das Original einzigartig bleibt, bevorzugen einen profaneren – aus Schweizer Sicht unzutreffenden – Spitznamen: «Palazzo Groviera», denn er sehe mit all den Löchern aus wie ein Schweizer Käse.

Wie die übrigen Bauten des futuristischen Retortenquartiers ist der Palazzo in einem streng geometrischen Rationalismus gehalten. Form und Perspektive stehen im Vordergrund. Dank seiner eigenwilligen Ästhetik beginnen Regisseure wie Rossellini und Fellini sich ab Ende der Fünfzigerjahre für den Bau zu interessieren. Sie entdecken das viereckige Kolosseum, um das es nach dem Krieg still geworden ist, neu. Sein Äusseres wird fortan zum begehrten Objekt in Filmen, Werbespots und  unzähligen Modefotos.

Das Innere des 1940 fertiggestellten Gebäudes bleibt indes leer. Die faschistischen Wurzeln allein können nicht der Grund sein, werden die übrigen EUR-Bauten doch schon lange als Büros, Kongresszentren oder Museen genutzt. Erst 2013 kommt die Wende. Das römische Modehaus Fendi mietet den lichtdurchfluteten Palazzo langfristig und macht ihn zum Sitz der italienischen Firmenzentrale. Fendi organisiert seither regelmässig Ausstellungen. Interessierte erhalten so nach vielen Jahrzehnten endlich die Gelegenheit, neben dem ovalen auch einmal das quadratische Kolosseum Roms zu besichtigen.