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Aufgefallen in… London

Willkommen, bargeldlose Gesellschaft! Wer nach London reist, merkt: Nur mit Noten und Münzen im Portemonnaie ist man in der britischen Metropole schnell aufgeschmissen. Das fängt an mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, wo Bares im besten Fall mühsam und im schlechtesten Fall nicht brauchbar ist, und hört bei den Parkplätzen auf, die nur noch via Smartphone-App bezahlt werden können. Münzenfressende Parkuhren? Fehlanzeige.

Doch der Reihe nach: Ein normaler Arbeitstag in London beginnt mit einem Coffee Americano im schmucken Kaffee um die Ecke. Bezahlt wird mit der Kreditkarte – kontaktlos. Daraufhin folgt die Fahrt mit dem Bus zum Büro. Und auch hier schauen diejenigen in die Röhre, die – wie fast überall üblich – an der Haltestelle oder beim Chauffeur ein Ticket lösen wollen. Hereingelassen wird nur, wer die Oyster Card – so wird die Smartcard in London genannt – oder eine Kreditkarte mit kontaktloser Bezahlfunktion besitzt. Auch hier wird wieder in Sekundenschnelle ein kleiner Betrag abgebucht. So zieht sich der Tagesablauf weiter – sogar bis zum Pub-Besuch am Feierabend. Inzwischen ist die bargeldlose Entwicklung in London so weit fortgeschritten, dass selbst Touristen locker einige Tage in London verbringen können, ohne je eine Banknote der britischen Währung besessen zu haben.

Aus persönlicher Sicht überwiegen die Vorteile: Das Portemonnaie fühlt sich leichter an, weil man nicht mehr Unmengen an Münzen mit sich herumträgt, die Hände haben nicht mehr ständig einen metallenen Geruch – und man kann sich ersparen, dauernd das Rückgeld auf Pfund und Pence genau zu zählen.

Die Nachteile werden aber auch rasch klar: Wer nur noch kontaktlos mit der Kreditkarte zahlt, verliert schnell den Überblick, wie viel Geld wofür ausgegeben wurde. Es fällt auch die natürliche Hemmschwelle weg, einen Ausgabenstopp einzulegen, weil einem das Bargeld ausgegangen ist und man für ein weiteres Pint den nächsten Bankomaten aufsuchen müsste.

Zudem fällt einem je länger, je mehr auf, dass einige Menschengruppen durchaus von Bargeld abhängig sind. Zum Beispiel die Strassenmusikanten, die auf einen Zustupf in Form eines Münzenwurfs hoffen, oder aber Bettler, die vor dem Supermarkt warten und um ein paar Münzen bitten, die man beim Einkauf als Rückgeld erhalten hat. Offensichtlich löst die bargeldlose Gesellschaft nicht nur bestehende Probleme, sondern sie kreiert auf ihre Art wieder neue.

Zumindest im Fall der Strassenmusikanten hat der Bürgermeister von London eine Lösung gefunden. Sein Vorschlag lautet, dass alle, die Strassenmusik machen, mit einem simplen Kartenleseterminal ausgerüstet werden sollen, damit Passanten trotz fehlender Münzen im Sack den – oftmals selbst ernannten – Künstlern ein bisschen Unterstützung zukommen lassen können.

Allerdings bliebe abzuwarten, wie viele der Vorbeilaufenden sich tatsächlich die Mühe nähmen, anzuhalten, die Karte zu zücken, auf dem Gerät den gewünschten Betrag einzugeben und zu bezahlen. Die traditionelle Methode – ein salopper Münzwurf aus dem Handgelenk – scheint da doch weniger Überwindung zu kosten.

Trotz der Vorliebe für Karten kommt auch London nicht vollumfänglich darum herum, Bargeld zu akzeptieren – wie sich jüngst im lokalen Coffee Shop gezeigt hat. An dem Ort, wo man üblicherweise schief angeschaut wird, wenn man den Kaffee mit einer 5-£-Note bezahlen will, wurde man vergangene Woche mit einem verzweifelten Blick gebeten, man möge doch mit Cash zahlen. Nicht weil etwa die Verbindung zum Zahlungsdienstleister gekappt worden wäre, sondern weil schlicht und einfach die Papierrolle für die Quittung alle war und niemand für Ersatz gesorgt hatte.

Man kommt eben auch in einer hoch digitalisierten Stadt wie London nicht darum herum, im Portemonnaie ein paar Noten und Münzen für allfällige Notfälle mit sich herumzutragen.