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Auf dem Weg in die Planwirtschaft

Als Folge der Katastrophe von Fukushima vor fünf Jahren hatte der Bundesrat in einem Schnellschuss den Ausstieg aus der Kernkraft proklamiert. Zu diesem Zweck formulierte er die Energiestrategie 2050: Die Abschaltung der Kernkraftwerke sollte durch einen Ausbau der Wasserkraft, der neuen erneuerbaren Energien, Einsparungen und Lenkungen kompensiert werden. Energieministerin Doris Leuthard versprach, die Energiewende sollte auf marktwirtschaftlichem und nicht auf planwirtschaftlichem Weg erreicht werden. Mit Blick auf die sich in der parlamentarischen Differenzbereinigung befindende Vorlage wirkt diese Beteuerung wie ein Hohn.

Die Vorlage ist dominiert von Subventionen, Verboten, Geboten, staatlichen Lenkungen und weiteren Interventionen. Falsch ist auch die stets wiederholte Aussage, das Verbot von neuen Kernkraftwerken sei kein Technologieverbot. Faktisch kommt es einem Technologieverbot gleich. Forschung an einer Technologie, die nicht angewendet werden darf, ist nicht attraktiv, die entsprechenden Aktivitäten werden ins Ausland abwandern.

Noch mehr Subventionen

In der bevorstehenden Frühjahrssession (ab 29. Februar) wird sich der Nationalrat mit der Bereinigung der Differenzen zu den Beschlüssen des Ständerats zum ersten Paket der Energiestrategie 2050 befassen. Dabei geht es fast ausschliesslich um zum Teil sehr technische Detailfragen.

So soll die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV), das Subventionsvehikel zur Förderung der neuen erneuerbaren Energien, weiter ausgebaut werden, es sollen mehr Mittel zur Verfügung stehen. Zur Kasse gebeten wird der Konsument. Gleichzeitig wird auch die Grosswasserkraft in den Kreis der Subventionsempfänger aufgenommen. Dahinter steht der Preiszerfall auf den europäischen Strommärkten, der es fast verunmöglicht, konventionelle Kraftwerke rentabel zu betreiben. Ein zentraler Grund dafür ist die enorme Subventionierung von Strom aus Wind und Sonne in Deutschland über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Ihren Teil dazu beigetragen auch die KEV.

Das EEG hat sich zu einem veritablen Debakel entwickelt: Im laufenden Jahr wird der grüne Strom mit voraussichtlich rund 24,8 Mrd. € subventioniert. An der Strombörse repräsentiert er einen Wert von gerade einmal rund 1,8 Mrd. € – ein ökonomischer Unsinn erster Güte. Statt daraus zu lernen, eifert das Parlament jedoch dem deutschen Vorbild nach.

Dabei werden die Kernprobleme der Stromproduktion aus Sonne und Wind in geradezu sträflicher Manier vernachlässigt: Die Erzeugung aus diesen Quellen ist volatil und nicht prognostizierbar. Grundsätzlich muss die gesamte Kapazität in Reserve vorgehalten werden für den häufigen Fall, dass die Produktion aus Wind und Sonne null ist. Wie an einem Hintergrundgespräch des Bundesamts für Energie mit Blick auf die Debatte im Nationalrat klar wurde, macht man sich darüber keine Sorgen – das werde noch lange kein Thema sein. Gar nicht zur Sprache kam gar die mit der volatilen Produktion verbundene heikle Frage der Netzstabilität.

Subventioniert wird jedoch nicht nur die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Auch die energetische Sanierung von Gebäuden soll massiv unterstützt werden. Der Konsument wird gleich doppelt zur Kasse gebeten: Er hat die Subventionen im Umfang von bis zu 450 Mio. Fr. zu finanzieren. Zudem wird er oft noch über Mietzinserhöhungen aufgrund der Wertsteigerung der Liegenschaft durch die Sanierung zur Kasse gebeten.

Die Liste von fragwürdigen interventionistischen Massnahmen liesse sich verlängern. Das Parlament setzt den Rotstift jedoch nicht an. Es ist gefangen in dieser Vorlage und müht sich mit Detailanpassungen ab. Das System als solches wird nicht in Frage gestellt. Es wird durch die Feinsteuerung jedoch nicht besser – es bleibt so falsch, wie es immer gewesen ist.

Diesem ersten Massnahmenpaket wird ein zweites folgen. Über eine Lenkungsabgabe soll die Subventionswirtschaft ersetzt werden. Allerdings ist schon heute absehbar, dass diese Abgabe – sie würde auf Verfassungsebene eingeführt und unterstünde dem obligatorischen Referendum – kaum mehrheitsfähig sein wird. Sie ist auch ökonomisch höchst problematisch. Sollte das Volk diese tatsächlich ablehnen, fiele das zweite Paket dahin. Teile des ersten wären aber schon in Kraft, Präjudizien wären geschaffen. Es ist völlig offen, was in diesem Fall geschehen würde.

Ein Blick auf den Markt müsste die Politiker aufschrecken. Nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz stöhnen die Stromproduzenten und -versorger unter den niedrigen Preisen. Sie machen bei vielen grossen Unternehmen Abschreibungen in Milliardenhöhe notwendig. Sollten diese dereinst ihrem Versorgungsauftrag wegen Finanzproblemen nicht mehr nachkommen können, wird der Ruf nach dem Staat erklingen.

Das hat schon ein erstes Mal geklappt: Die Grosswasserkraft hat den Zugang zum Subventionstopf gefunden. Damit ist die Strombranche flugs von einer Skeptikerin zu einer Befürworterin der Energiestrategie geworden. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Staat nach dem ersten Schritt nicht auf den zweiten verzichten würde: Konkret in Bedrängnis geratene Unternehmen dürften mit Unterstützung rechnen. Das wäre dann gleichsam der letzte Sargnagel für ein einst, zumindest in Ansätzen, marktwirtschaftliches System. Der Übergang zur vollkommenen Planwirtschaft im Strommarkt wäre nicht mehr aufzuhalten.

In den Details gefangen

Damit würde auch die in weiten Kreisen in Vergessenheit geratene Strommarktliberalisierung obsolet. Die Schweiz ist auf halbem Weg stehen geblieben, der Markt ist derzeit nur für Grossverbraucher offen. Der zweite Schritt der umfassenden Öffnung wurde auf die lange Bank geschoben. Damit fällt auch ein Strommarktabkommen mit der EU aus Abschied und Traktanden. Die Schweiz bliebe vom europäischen Markt ausgeschlossen.

Die Energiestrategie 2050 ist nicht nur mit exorbitanten Kosten verbunden. Sie wird einen wichtigen Teil der Wirtschaft vollends verstaatlichen und enorme strukturelle Verwerfungen zur Folge haben, die heute kaum beachtet werden. Diese Aspekte hat das Parlament aus den Augen verloren, es ist verstrickt in den Details der bundesrätlichen Vorlage der Energiestrategie, die ein Thema hat: den Ausstieg aus der verhassten Kernkraft.

Obwohl Energieministerin Leuthard und ihr Bundesamt für Energie mit allen Mitteln versuchen, eine Volksabstimmung über das erste Massnahmenpaket zu verhindern, muss das Volk dazu Stellung nehmen können – die Auswirkungen der Vorlage sind zu gross. Immerhin: Vorbereitungsarbeiten für ein Referendum laufen.