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Auch in Europa hat Qualität ihren Preis

Britische Hausbauaktien haben sich von den Kursverlusten nach dem Brexit-Referendum erholt und sind auf neue Höchst geklettert.

Europäische Aktien seien günstig, hört man dieser Tage oft. Tatsächlich notiert das für 2017 geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis des paneuropäischen Stoxx 600 mit 16 weit unter dem des amerikanischen Leitindex S&P 500, der fast zum zwanzigfachen Gewinn handelt.

Es müsste demnach ein Leichtes sein, an den europäischen Börsen günstige Qualitätsunternehmen aufzuspüren. «Finanz und Wirtschaft» wollte es genauer wissen und sezierte wie jedes Jahr die Börsen der USA, Europas und der Schweiz auf Titel, die Qualität zu einem vernünftigen Preis bieten (Quality at a Reasonable Price, QARP). Die US-Auswahl ist bereits erschienen. Nun ist Europa an der Reihe, die Schweiz folgt in den kommenden Wochen.

Die letztjährige Europa-Selektion kann sich sehen lassen, hat sie den Vergleichsindex doch deutlich geschlagen. Das gute Abschneiden lag hauptsächlich am hohen Gewicht der britischen Hausbauaktien, die sich von den Kursverlusten nach dem Brexit-Referendum erholt haben und auf neue Höchst geklettert sind.

Doch wer qualifiziert sich heuer? Qualitätsunternehmen schaffen Aktionärswert, weisen solide Bilanzen auf und erwirtschaften hohe Kapitalrenditen. Der Selektionsprozess baut auf diesen Attributen auf und besteht aus sechs Hürden, die nacheinander übersprungen werden müssen.

Gut und günstig - Laden Sie hier die Tabelle im PDF-Format runter.

Aufschwung zeigt sich

Da die Liste nur Titel von Unternehmen enthalten soll, die für ihre Aktionäre Mehrwert erzielen, werden in einem ersten Schritt alle Namen aussortiert, die den Buchwert je Aktie über fünf Jahre nicht steigern konnten. Von den 600 im Stoxx Europe vertretenen Valoren verbleiben 410. Letztes Jahr waren es noch 399 – der Aufschwung in Europa macht sich also allmählich bemerkbar.

Zur Einschätzung der Bilanzqualität wird auf die Schuldentragfähigkeit und den Altman Z-Score abgestellt. Diesen Schritten fallen unabhängig von der Qualität fast alle Finanzwerte zum Opfer, weil die beiden Kennzahlen für Banken und Versicherungen nicht sinnvoll sind. Eingeschlossen sind hingegen Fondsgesellschaften, Börsenbetreiber und andere Branchenvertreter, deren Geschäft nicht hauptsächlich auf ihrer Bilanz basiert. Übrig bleiben 181 Namen.

Qualitätsunternehmen sind profitabel und rentabel – das heisst, sie erzielen hohe Margen und Kapitalrenditen. Beide Grössen sollen deshalb mindestens 10% betragen, was 96 Valoren erfüllen.

Qualität ist gut, aber nicht um jeden Preis. Auf die endgültige Liste schaffen es deshalb nur Gesellschaften, deren Unternehmenswert höchstens dem zehnfachen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) entspricht. Wie in den Vorjahren bildet die Bewertung die höchste Hürde, schaffen es doch gerade elf Namen in die Auswahl – gleich viele wie 2016.

Auch heuer dominieren – trotz stolzem Kursanstieg – die britischen Hausbauer, stellen sie doch fünf der elf Vertreter. Sie waren alle schon Teil der letztjährigen Auswahl. Das gilt auch für den Detailhändler Next und den Online-Broker IG Group, die ebenfalls in London kotiert sind, sowie für den britisch-deutschen Chipproduzenten Dialog Semiconductor. Neu dabei sind der dänische Windturbinenhersteller Vestas Wind Systems, der als günstigster Wert den ersten Rang bekleidet, der schwedische Kupfer- und Zinkschmelzer Boliden sowie der norwegische Lachszüchter Marine Harvest.

Die Auswahl weist also wieder ein hohes Klumpenrisiko auf – sowohl auf Länder- als auch auf Sektorebene. Das ist umso gravierender, als das Geschäft der britischen Hausbauer in den letzten Jahren florierte. Sollte es dereinst zu einem Abschwung kommen, ist die Fallhöhe entsprechend gross.

Steuerpläne lasten auf Vestas

Dazu kommt noch ein unternehmensspezifisches Konzentrationsrisiko: Dialog ist abhängig von Apple, kommt der i-Konzern doch für drei Viertel des Umsatzes auf. Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass die Kalifornier die von Dialog gelieferten Power Management Chips dereinst selbst produzieren könnten. Entsprechend harsch war die Kursreaktion.

Auch Vestas ist Opfer der Nachrichten aus den USA. Die Steuerpläne von US-Präsident Donald Trump, die letzte Woche im Senat eine entscheidende Hürde nahmen, sehen eine Streichung der Steuererleichterungen für Wind- und Solarkraftwerke vor. Seit das Repräsentantenhaus die Vorlage Anfang November präsentierte, büssten Vestas rund ein Drittel ein.

Anleger sind aus all diesen Gründen gut beraten, sich nicht blind auf die günstigsten Aktien zu stürzen. Diversifikation ist angebracht, und immerhin sind 46 Valoren, die alle Qualitätshürden übersprungen haben, günstiger als der Stoxx 600. Darunter finden sich Namen wie der Persil-Produzent Henkel, der Insulinspezialist Novo Nordisk oder der Nahrungsmittelmulti Unilever. Die 25 günstigsten Werte können online eingesehen werden.

Swisscom feiert Premiere

Wo aber bleiben die Schweizer Vertreter? Immerhin stammen sieben der 96 Qualitätstitel aus heimischen Gefilden. Als erster Wert folgt Neuling Swisscom auf Rang 35. Auch Roche sind günstiger als der Stoxx 600. Nestlé, Sika, Sonova, Geberit und Temenos passieren den Qualitätsfilter zwar ebenfalls, sind aber teurer als die europäische Börse.

Neben der übernommenen Syngenta und der reorganisierten Galenica respektive Vifor Pharma fehlen dieses Jahr auch AMS und Lindt & Sprüngli, weil sie wie Novartis nicht mehr alle Qualitätshürden meistern. Trotzdem verdienen es auch diese Werte, genauer unter die Lupe genommen zu werden, denn die Kriterien sind einschneidend und enthalten keine Zukunftsschätzungen. So ist die Kapitalrendite bei Novartis höchstwahrscheinlich nur temporär gedrückt. Handkehrum stehen Dialog schwierige Zeiten bevor, wenn Apple mit dem Insourcing tatsächlich ernst macht. Überschaubar scheint der Druck auf Vestas, der sich gemäss Goldman Sachs auf die Jahre 2019 und 2020 beschränkt. 2018 und ab 2021 seien die Auswirkungen limitiert.

Die Liste soll deshalb als das betrachtet werden, was sie ist: ein Ausgangspunkt für vertiefende Analysen.