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Anleihen-ETF boomen trotz Schönheitsfehler

Unter Chávez hat sich Venezuela massiv im Ausland verschuldet. Damit wurde das Land ein Schwergewicht im Bond-Index.

Wenn börsengehandelte Indexfonds (ETF) die neuen Publikumslieblinge sind, dann sind Bond-ETF die wahren Shootingstars. Kaum ein anderes Anlageinstrument zieht so viel Neugeld an wie sie.

In den letzten fünf Jahren ist das Anlagevolumen in ETF auf Anleihenindizes durch Zuflüsse kräftig gewachsen, in den USA jährlich 19% und in Europa sogar 24%. Bei den Aktien-ETF betrug das Wachstum 16 resp. 14%. In den USA sind unterdessen 550 Mrd. $ in Bond-ETF angelegt, in Europa knapp 200 Mrd. $, was bereits etwa einem Drittel des Volumens der meist viel älteren Aktien-ETF entspricht. Die Vorteile von Anleihen-ETF sind die gleichen wie bei ETF auf Aktien­indizes: breite Diversifikation, Transparenz und einfacher Handel über die Börse.

Gewicht steigt mit Schulden

Doch den Anleihen-ETF haftet ein Makel an, was Erfolg und Beliebtheit umso erstauntlicher macht. Wegen der Gewichtung gemäss Marktkapitalisierung – und das ist bisher die Regel – bekommen die grössten Schuldner das höchste Gewicht im Index. Hoch verschuldete Staaten und Unternehmen sind dadurch übervertreten. Venezuela zum Beispiel hatte zu Spitzenzeiten vor ein paar Jahren ein Gewicht von 10% im Schwellenländeranleihen-Index, den die grossen ETF abbilden.

Mit dieser Kritik wird Stephen Cohen oft konfrontiert, er ist Leiter EMEA der BlackRock-Tochter iShares und für Anleihen-ETF verantwortlich. Cohen sagt: «Der grösste Bond-Emittent der Welt ist der amerikanische Staat. Er gilt nach wie vor als einer der sichersten Schuldner.» Und bei den Unternehmen seien die bedeutenden Kreditnehmer die mit dem meisten Kapital und dem grössten Umsatz.

Auch Claudine Sydler, ETF-Spezialistin bei Hinder Asset Management in Zürich, ist sich der Problematik der Marktgewichtung bewusst. Ein Grund, um auf Bond-ETF zu verzichten, sei das aber nicht. Das Ganze müsse man im Kontext von Rendite und Risiko betrachten. «Schliesslich weisen riskantere Positionen auch eine höhere Rendite auf», sagt Sydler.

Ausserdem gebe es genügend Instrumente, um eine bestimmte Sicht umzusetzen. «Wem zum Beispiel Ramschanleihen zu riskant sind, der wählt einen ETF, der ausschliesslich in einen Index mit Investment-Grade-Bonds investiert», erklärt Sydler. Die angebotenen Fonds unterscheiden sich nicht nur nach dem Rating, es gibt auch Einschränkungen bei Laufzeit und anderen Kriterien. Wer steigende Zinsen erwartet und das Zinsänderungsrisiko minimieren will, findet zahlreiche ETF, die nur Anleihen mit kurzer Laufzeit (Short Term) oder variablem Zins (Floating Rate) halten. Wer an Italiens Zahlungsfähigkeit zweifelt, muss nicht automatisch auf alle europäischen Staatsanleihen verzichten.  Lyxor bietet zu Beispiel ein Produkt an, das nur die Euroländer mit dem höchsten Kreditrating berücksichtigt.

Wie bei den Aktien ist auch bei Anleihen Smart Beta auf dem Vormarsch – der Begriff umfasst ETF und Indizes, die die Wertpapiere anders gewichten als gemäss Marktkapitalisierung. Auch für Schwellenländeranleihen sind solche alternativ gewichteten Indizes und ETF verfügbar. Vor zwei Jahren lancierte X-trackers einen ETF auf Schwellenländerbonds mit dem Zusatz Quality Weighted, bei dem die Länder auch nach volkswirtschaftlichen Kriterien gewichtet werden. Ob dieser Ansatz wirklich so «smart» ist, lässt sich mit Blick auf die Zusammensetzung per Ende Juli zweifeln. Mit je rund 10% waren Saudi-Arabien und die Türkei die grössten Positionen. Auch JP Morgan hat dieses Jahr einen Schwellenländeranleihen-ETF lanciert, der das Kreditrisiko stabil halten will und sich an einem Risk-Aware-Bondindex orientiert.

«Anleger müssen jedoch darauf achten, dass die Produkte auch einigermassen liquid sind», warnt Sydler. Eine gewisse Grösse sei dafür die Grundvoraussetzung. Wichtige Liquiditätskennzahlen sind das gehandelte Volumen und die Geld-Brief-Spanne (Spread). Beide sind auf der Internetseite der Schweizer Börse abrufbar. Zu beachten ist auch, dass gewisse ETF über die Börsenplätze London oder Frankfurt günstiger zu handeln sind.

Härtetest steht noch bevor

Experten sagen den ETF auf Anleihenindizes eine grosse Zukunft voraus. Cohen sieht die einfache Handelbarkeit als wichtigen Erfolgsfaktor: «Da aus regulatorischen Gründen die Liquidität am Bondmarkt abgenommen hat, weichen Investoren für grössere Transaktionen zunehmend auf Anleihen-ETF aus, statt die einzelnen Bonds zu handeln.»

Seit Jahrzehnten geht der Trend bei den Renditen der Anleihen nach unten und entsprechend bei den Kursen nach oben. Die grosse Frage ist, was mit der Liquidität passiert, wenn die Bedingungen weniger günstig sind. Ein steiler Anstieg der Zinsen werde auch für ETF zu einem Stresstest, sagt Sydler. Dann dürften sich die Geld-Brief-Spannen deutlich ausweiten.