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«Anleger bringen ihre Schäfchen ins Trockene»

Caroline Hilb: «Die Wirtschaft kommt an einen Sättigungspunkt.»

Frau Hilb, in der laufenden Berichtssaison sind mehrere Aktien eingebrochen. Wie schätzen Sie die Börsenlage ein? - Es gibt ein Muster: Wenn ein Unternehmen die Erwartungen der Anleger nicht oder nur knapp erfüllt, wird die Aktie stark abgestraft. Erstens sind die Erwartungen hoch. Zweitens befürchten die Anleger, dass die Gewinne nicht weiter gesteigert werden können, und bringen deshalb ihre Schäfchen ins Trockene. Es fällt auf, dass etwa die grossen Pharmakonzerne gute Zahlen rapportierten und die Aktien davon profitiert haben. Dagegen haben vor allem kleinere Titel wie Dormakaba oder Rieter einen heftigen Einbruch erlitten. Hohe Bewertungen und hohe Aktienkurse verlangen mehr Gewinn.

Lange lagen konjunktursensitive, zyklische Aktien vorne. Nun haben defensive Titel aufgeholt. Ist eine Rotation im Gang? - Nein, es gibt keinen beständigen Stimmungswechsel aus den zyklischen in die defensiven Aktien. Bei den grossen Unternehmen waren die Erwartungen weniger hoch und liessen sich deshalb leichter erfüllen – UBS ist ein Beispiel dafür. Die Anleger schauen derzeit aber vermehrt auf die Qualität des Unternehmens, ob das Geschäftsmodell über verschiedene Konjunkturzyklen gut läuft. Auch die Verschuldung spielt eine Rolle.

Welche Unternehmen genügen den Qualitätsansprüchen? - Ein Beispiel ist der Warenprüfkonzern SGS, dort helfen strukturelle Veränderungen wie das Outsourcing und die Digitalisierung. Diese Aktien dürften spät im Zyklus nochmals steigen, unter anderem dank einer Erholung in der Öl- und Gasindustrie wegen steigenden Energiepreisen. Wir empfehlen zudem Cembra Money Bank: Das Konsumkreditinstitut ist sehr gut kapitalisiert und auf die Schweiz ausgerichtet, was ein Vorteil ist. Sowohl Cembra als auch SGS haben eine gute Dividendenstrategie, denn die Ausschüttung wird aus dem operativen Geschäft finanziert, und sie haben einen starken Fokus auf den Aktionär.

Die Börsenhausse ist einseitig von US-Technologieaktien getragen worden. In welcher Verfassung ist der Markt? - Die Aktienmärkte sind stabiler, als es der allgemeine Tenor vermuten lässt. Die Konjunkturaussichten sind sehr gut, die Berichtssaison ist ebenfalls gut, und die Marktteilnehmer schauen zuversichtlich nach vorne.

Wo lauern Gefahren? - Drei Dinge bereiten mir Sorgen. Der Handelsdisput zwischen den USA und China ist keineswegs beigelegt, auch weil es um den Technologiesektor geht. Zweitens ist der Risikoaufschlag von Unternehmensobligationen gegenüber Staatsanleihen gestiegen – auch wenn er vom Hoch ein wenig zurückgekommen ist. Drittens, und das ist auf den Märkten überhaupt kein Thema, wird die US-Notenbank restriktiver. Das werden wir an den Aktienmärkten spüren, weil Liquidität fehlt. Aus diesen Gründen gibt es immer wieder schwächere Marktphasen, was wir 2017 gar nicht gewohnt waren.

Sind die Börsen trotz dieser Unwägbarkeiten in guter Verfassung? - Wir rutschen noch nicht in einen negativen Aktienmarkt. Dafür sind die Unternehmen und die Konjunktur zu stark. Der Handelsstreit beeinträchtigt gewisse Firmen, vor allem im Automobilsektor und weil Input-Kosten steigen. Doch viele Unternehmen haben globale Produktionsprozesse und damit Ausweichmöglichkeiten – nicht überall ist es so umständlich wie bei Harley Davidson. Der Handelskonflikt wird vorläufig keine Rezession auslösen, denn die Konjunkturbasis ist stark und die Unternehmen sind erfinderisch für neue Lösungen.

Es wird befürchtet, der Konjunkturzyklus habe den Zenit überschritten. - Der US-Arbeitsmarkt ist ausgelastet, die Rohwarenpreise steigen und der Inflationsdruck nimmt zu. Die Wirtschaft kommt an einen Sättigungspunkt. Wir schauen auf die vorlaufenden Indikatoren. Bei den Einkaufsmanagerumfragen zeigt ein Indexwert über 50 eine wirtschaftliche Expansion an. Doch die Werte sind mittlerweile so weit darüber, dass die Schwelle von 50 zweitrangig ist. Wichtig sind die Veränderungen, und die Einkaufsmanagerindizes halten sich derzeit gut.

Die zehnjährigen Zinsen stehen in den USA fast bei 3%. Wann ist die Rendite der Staatsanleihen hoch genug, damit sie eine ernsthafte Konkurrenz für Aktien sind? - Früher war die zehnjährige US-Rendite meistens höher als 3%. Im S&P 500 ist die Dividendenrendite mit 1,8% zwar darunter, doch amerikanische Unternehmen zahlen traditionell weniger Dividende als europäische, weil in den USA viel über Aktienrückkäufe – Buybacks – ausgeschüttet wird. Damit sich Investitionen in US-Staatsanleihen wirklich lohnen, müssen die Zinsen noch ein Stück steigen. Davon sind wir in der Schweiz weit entfernt, zehnjährige Eidgenossen rentieren knapp unter null, und die Dividendenrendite für den SMI liegt über 3%.

Gibt es am Anleihenmarkt valable Alternativen? - Nicht empfehlenswert sind Dividendenaktien als Ersatz für Obligationen, denn sie haben ein unterschiedliches Risikoprofil. Hochzinsanleihen sollten verkauft werden. Sinnvoll sind Unternehmensanleihen mit guter Bonität, um zum Aktienrisiko ein Gegengewicht im Depot zu haben. Schwellenländeranleihen kann man ruhig behalten. Sie können zwar von steigenden US-Zinsen belastet werden, doch das Fed dürfte den Leitzins planmässig erhöhen – das reduziert die Unsicherheit. Wichtig ist bei den Schwellenländern aber eine aktive Auswahl der Anleihen und ein langer Anlagehorizont. Insgesamt sind wir in einem schwierigen Obligationenjahr, vor allem weil die Zinsen seit längeren erstmals wieder steigen.