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Angeschlagene Glaubwürdigkeit der Politik

Finanzminister Ueli Maurer hielt am 12. September 2018 im Nationalrat fest: «Sie müssen die Katze nicht im Sack kaufen.» Gemeint war die Vorlage zum Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF). Komme es am 19. Mai 2019 zur Abstimmung, liege die Vorlage zur AHV-Reform bereits auf dem Tisch. Die Forderung nach einem höheren Rentenalter und zusätzlicher Finanzierung sei vom Bundesrat verabschiedet. Bereits im ersten Quartal 2019 komme die AHV-Reform zur Beratung in der Kommission, so der amtierende Bundespräsident (Amtliches Bulletin 2018 N 1272).

Damit wollte der Finanzminister den Gegnern des «Kuhhandels», also der Verknüpfung von Anpassungen der Unternehmensbesteuerung an die OECD- und die EU-Normen mit der Finanzierung der AHV, den Wind aus den Segeln nehmen. Für Bund, Kantone und Gemeinden sowie für die Wirtschaft ist die Anpassung an die internationalen Anforderungen zur Sicherung der Rechtslage und der Wettbewerbsfähigkeit zweifellos nötig.

Aber erfüllt der vom Bundesrat empfohlene Kompromiss die in der Verfassung (Art. 194 BV) verankerte Wahrung der Einheit der Materie? Besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen Einnahmeneinbussen von rund 2 Mrd. Fr. aus der Steuerreform und der Zusatzfinanzierung von 2 Mrd. Fr. für die AHV? Wie steht es um die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Bundesrats?

Politische Kompensation

Mit 59% Nein-Stimmen lehnt das Volk am 12. Februar 2017 die Unternehmenssteuerreform III ab. Die SP frohlockt, dass sie die «Geschenke» an die Reichen gebodigt habe. Weil OECD und EU drohen, die Schweiz auf eine schwarze Liste zu setzen, reagiert der Bundesrat bereits zehn Tage später. Rasch werden inhaltliche Eckwerte für eine neue Steuervorlage bis Mitte 2017 ausgearbeitet. Bereits im Juni gelangt eine vom Ständerat gegenüber der Bundesratsvorlage veränderte neue «Steuervorlage 17» in den Zweitrat.

Sie beinhaltet unter dem Titel «politische Kompensation» einen einmal mehr hinter den Kulissen erarbeiteten Deal zwischen der SP und der CVP. Die Steuervorlage wird mit einer AHV-Zusatzfinanzierung verknüpft. Am Ende der Debatten zu diesem «Kuhhandel» wird die Vorlage für das Volk in Steuerreform und AHV-Finanzierung STAF umbenannt.

Die Gutachter des Bundesamtes für Justiz können nichts anderes tun, als die Koppelung von zwei völlig unterschiedlichen Geschäften für gerade noch gemäss Verfassung zulässig und vertretbar erklären. Der Druck zum Handeln war zu gross. Juristisch wird damit der Gesetzgeber abgesichert. Vielleicht hätte ein Bundesverfassungsgericht anders entschieden.

Wie steht es um die Glaubwürdigkeit der Politiker? Angesichts der am 24. September 2017 mit rund 53% der Stimmen abgelehnten Altersvorsorge 2020, die auch auf einem faulen Kompromiss der rot-schwarzen Allianz gründete, wäre vielleicht etwas Vorsicht angebracht gewesen. Damals wollte man mit einer um 70 Fr. erhöhten AHV-Rente für Neurentner dem Souverän ein kompliziert geschnürtes Gesamtpaket versüssen.

AHV als Zuckerbrot

In der STAF-Vorlage wird mit der Erhöhung der AHV-Beiträge um 0,3 Prozentpunkte und der Alimentierung der AHV mit insgesamt 2 Mrd. Fr. der Linken ein Zuckerbrot zur Versüssung einer bitteren Steuerpille geschenkt.

Die bürgerlichen Politiker wollen sich allerdings etwas absichern. Sie lassen sich von Sozialminister Alain Berset und Finanzchef Ueli Maurer versichern, dass die Erhöhung des Rentenalters ohnehin nötig sei und dass eine AHV-Botschaft noch vor Ende 2018 vorliegen werde (Amtliches Bulletin 2018 S 440). Mit STAF werde lediglich ein Teil der notwendigen Finanzierung der AHV vorweggenommen.

Finanz- und Innenminister werben am 18. Februar 2019 denn auch gemeinsam vor den Medien für die Annahme der STAF. Grosso modo entspreche das Gesetz der ursprünglichen bundesrätlichen Vorlage. Die Steuerreform trage der Kritik der abgelehnten Vorlage Rechnung, und die Zusatzfinanzierung der AHV schaffe einen sozialen Ausgleich für die steuerliche Entlastung der Unternehmen. Der Bundesrat plane, noch in diesem Jahr eine Vorlage AHV 21 dem Parlament zu unterbreiten.

Zu den Eckwerten der künftigen AHV-Reform betreffend Rentenalter, Flexibilisierung der Pensionierung sowie Finanzierung äussert sich der Bundesrat allerdings nicht. Im Gegenteil: Zwei Tage später entscheidet die Landesregierung, dass, entgegen den ursprünglichen Ankündigungen, erst Ende Juni ein Aussprachepapier und Ende August die Botschaft zur AHV 21 verabschiedet werde. Bemerkenswert ist auch die Aussage, dass die Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 Jahre von der Linken ausgeschlossen werde, solange es keine Lohngleichheit gebe.

Der Souverän wird erpresst

Nach all dem muss der Souverän die Katze nun doch im Sack kaufen. Er wird erpresst: Das Volk kann nicht entscheiden, ob es für oder gegen die Steuervorlage oder die zusätzliche AHV-Finanzierung ist. Es kann nur Ja oder Nein zum Gesamtpaket sagen. Die Anpassung des Steuerrechts an die internationalen Regeln ist das eine. Dieser Teil der Vorlage ist für die Rechtssicherheit und für die Wirtschaft wichtig. Immerhin geht es um die Sicherung von 6 Mrd. Fr. Gewinnsteuern. Allerdings hat der Präsident der SP, Christian Levrat, bereits angekündigt, dass die Linke Steuersenkungen in den Kantonen, die nach der Annahme von STAF nötig werden, bekämpfen werde.

Die Verkoppelung mit der AHV wird von der SP begrüsst. Damit könne die Erhöhung des Frauenrentenalters verschoben werden. Mit der Erhöhung der AHV-Beiträge für alle Arbeitnehmenden um 0,3 Prozentpunkte, einem höheren Bundesanteil und der Auszahlung des vollen Mehrwertsteuerprozents an die AHV kommt die SP voll auf ihre Rechnung. Zwar werden die jungen Generationen damit stärker belastet, aber es fliessen über 2 Mrd. Fr. jährlich zusätzlich in die AHV-Kasse.

Damit wird die Umverteilung verstärkt – gemäss Levrat erhalten 93% der AHV-Rentner mehr, als sie je eingezahlt haben –, einmal mehr ohne strukturelle Anpassungen in der AHV vorzunehmen. Wohin das führt, haben wir bereits mit der IV-Revision erlebt, wo ebenfalls Vorfinanzierungen vorgenommen, aber danach keine Sparmassnahmen ergriffen wurden. Die Bürgerlichen in Bundesrat und Parlament haben einmal mehr den Forderungen der Linken ohne Gegenleistungen nachgegeben.

Wer die Notwendigkeit der Steueranpassung einsieht und diesem Teil der Vorlage am 19. Mai zustimmen möchte, kann dies nur tun, wenn er auch die Zusatzfinanzierung der AHV annimmt. Hätte der Bundesrat den Mut gehabt, zumindest die Eckwerte der Reform AHV 21 vorzulegen, wäre eine Zustimmung zu STAF allenfalls zumutbar. Nun wird der vernünftige, an das Gesamtwohl von Wirtschaft und Gesellschaft denkende Stimmbürger zu einem Entscheid gezwungen, auch wenn er seine zwei Seelen in der Brust nicht vereinen kann.

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