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An der schönen blauen Donau

«Populisten» stellen mitunter berechtigte Fragen, haben jedoch kaum je die passenden Antworten und schon gar nicht das geeignete Personal. Der operettenreif abgehalfterte Heinz-Christian Strache, bis gerade eben Vizekanzler der Republik Österreich, verkörpert die Figur des «Populisten» aufs Schönste: Typus Gebrauchtwagenstrizzi. «HC», wie Strache geheissen wird, steht wohl für Humoris causa.

Ohne sie – die Rebellen mit gewissen  Gründen – zu regieren, geht mancherorts gar nicht mehr, siehe Italien, mit ihnen oft noch weniger. Im September wird nun in Österreich neu gewählt, und es fragt sich, ob und wie sich die Kräfteverhältnisse im Nationalrat verschieben, was für Optionen sich danach ÖVP und SPÖ zur Regierungsbildung überhaupt bieten werden. Wie auch immer, irgendwie wird weitergewurstelt wie in der österreichischen TV-Serie «Ein echter Wiener geht nicht unter» aus den 1970er-Jahren.

Kreisky brauchte die FPÖ

Just damals übrigens regierten die Freiheitlichen, die Blauen, in Österreich erstmals mit, faktisch jedenfalls. Schon SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky machte den Anfang im gelegentlichen Zusammenarbeiten der beiden Systemparteien mit der FPÖ.  1970/71 führte er eine Minderheitsregierung, die sich von der FPÖ dulden liess. Im Gegenzug reformierte das Kabinett Kreisky – dem vier Minister mit Nazi-Vergangenheit angehörten – das Wahlrecht, zum Vorteil der FPÖ. Überhaupt gaben in der Zweiten Republik während Jahrzehnten die Parteien in den neun Ländern den Ton an, die am meisten bräunliches Substrat aufgesaugt hatten; das war mitnichten nur die lange Zeit kleine FPÖ; mancher altgediente Volksgenosse wurde Volksparteiler oder Genosse.

1971 bis 1983 hielt die SPÖ unter Kreisky (jüdischer Herkunft und im Krieg im schwedischen Exil) die absolute Mehrheit, war also auf niemanden angewiesen. Sein Nachfolger, Fred Sinowatz, jedoch ging 1983 mit der FPÖ eine Koalition ein. Chef der Blauen, die einst nur auf gut 5% Wähleranteil kamen, war damals Norbert Steger, der versuchte, die Partei mehr liberal als (deutsch)national auszurichten.

Doch dann kam der nicht wirklich liberale Jörg Haider. Er stürzte Steger 1986; SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky, der Sinowatz abgelöst hatte, kündigte die Koalition auf und grenzte die Partei endgültig von der FPÖ ab, wenigstens auf Bundesebene. Zampano Haider wiederum irrlichterte durch die FPÖ, das Land Kärnten und die Republik Österreich bis zu seinem Unfalltod 2008. Zuvor hatte er die FPÖ 1999 zu ihrem bisher besten nationalen Wahlergebnis geführt: knapp 27% hinter der SPÖ, doch haarscharf vor der ÖVP.

Das mündete in die erste schwarz-blaue Koalition: Die drittstärkste Partei, die ÖVP, stellte mit Wolfgang Schüssel den Kanzler, die zweitstärkste, die FPÖ, war Juniorpartnerin. Die EU-Staaten reagierten mit Nadelstichen, echauffierte Wiener Intellektuelle wähnten sich bereits im Widerstand (dass, nebenbei, in Athen der Linksaussenpopulist Alexis Tsipras seit 2015 zusammen mit Rechtsaussen­populisten regiert, wird in der öffentlichen Meinung in Europa auffallend verschwiegen).

Schwarz-blau zerbrach bald, 2002 kam es zu Neuwahlen, in denen Schüssels ÖVP klar zugewann und grösste Partei wurde; die FPÖ verlor. Schüssels zweites Kabinett war dann mehr schwarz als blau. 2005 verliessen Haider und einige Gefolgsleute die FPÖ, «HC» Strache übernahm deren Vorsitz. Schüssel regierte bis zum Ende der Legislaturperiode Anfang 2007.

Anschliessend sassen nacheinander die Sozialdemokraten Gusenbauer, Faymann und Kern am Ballhausplatz, alle ohne Fortüne. Bis das ÖVP-Jungtalent ­Sebastian Kurz die Partei und, nach den Wahlen 2017, die Kanzlerschaft übernahm. Statt nach trägen rot-schwarzen eine lahme schwarz-rote Koalition aufzulegen, holte er die FPÖ ins Boot: die türkis-blaue Regierung stand (Kurz hatte der ÖVP einen frischen Anstrich verpasst). Namentlich in der Flüchtlingspolitik gilt Wien seitdem als Gegenpol zu Berlin; die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei Kurz’ Antrittsbesuch säuerlich erklärt, sie werde «die österreichische ­Regierung an ihren Taten messen» – ein diplomatisch wattierter Affront.

Zweiter Schüssel-Effekt?

Ob Kurz in den bevorstehenden Wahlen  auf einen Schüssel-Effekt hoffen kann, auf Sitzgewinne zulasten der FPÖ? Ob er – nach den stets unerbaulichen Erfahrungen aus den vergangenen Jahrzehnten mit den partout nicht zu Salonfähigkeit reifenden Freiheitlichen – andere Partner suchen wird? Die SPÖ zieht mit ihrer Chefin Pamela Rendi-Wagner als Kanzlerkandidatin ins Gefecht; ein Erdrutsch zu ihren Gunsten ist unwahrscheinlich.

Im Burgenland übrigens werden die Landtagswahlen zwar nun vorgezogen, doch bis dahin bleibt die rot-blaue Landesregierung im Amt. Allzu selbstgerechte Kritik an Türkis-blau empfiehlt sich der SPÖ sowieso nicht. Es gibt da übrigens eine peinliche «oide Gschicht». 1964 überwies Franz Ohla, Gewerkschaftschef und zeitweilig Innenminister, der FPÖ eine Million Schilling – aus Gewerkschaftskassen. Er soll versucht haben, eine rot-blaue Koalition anzubahnen. Die SPÖ schmiss ihn raus, worauf Ohla die Demokratische Fortschrittliche Partei gründete. Sie galt als rechtspopulistisch und holte in der Nationalratswahl 1966 über 3%, die der SPÖ fehlten – was der ÖVP zum Sieg verhalf.