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«An der Börse jetzt nur nicht übermütig werden»

Absichern –  auch wenn es an den Märkten gegenwärtig positiv aussieht – die Finanzwelt steht nicht auf gesunden Füssen. 

Herr Pinto-Coelho, vor einem Jahr äusserten Sie sich im Mittwochsinterview skeptisch zu den Börsen. Ihre Voraussage war richtig. Wie beurteilen Sie die Marktperspektiven jetzt?

Mein Urteil ist zuversichtlicher als vergangenes Jahr. Damals erwartete ich aufgrund steigender Zinsen grössere Turbulenzen. Diese Gefahr ist kleiner geworden. Die US-Notenbank sieht mit Rücksicht auf die langsamer wachsende Wirtschaft vorläufig von weiteren Zinserhöhungen ab. Wegen der nur mässigen Inflation von rund 2,5% ist sie dazu in der Lage. In Europa bewegt sich die Inflation mit rund 2% in Deutschland noch tiefer. Deshalb hat auch die Europäische Zentralbank keine Eile und könnte die Zinswende aufs nächste Jahr verschieben.

So ist die kräftige Kurserholung von Januar und Februar an den Aktienmärkten fundamental begründet? - Ja, auch wenn mich, wie viele andere, das starke Ausmass überrascht hat. Ein grosser Teil des Anstiegs geht auf den kräftigen und übertriebenen Rückschlag Ende 2018 zurück. Der andere erklärt sich mit dem Zurückweichen der Zinsangst. Auch eine Rezession, wie sie für dieses Jahr befürchtet wurde, ist unwahrscheinlich. Die Notenbanken werden bei Bedarf dagegenhalten. Und schliesslich ist in den amerikanisch-chinesischen Handelsstreit Bewegung gekommen. Beide Parteien haben zumindest eingesehen, dass eine weitere Eskalation allen nur Schaden verursacht.

Wie geht die Kursentwicklung weiter – aufwärts, oder kippt der Trend? - Meine zuversichtlichere Sicht als vor einem Jahr heisst nicht, dass alle Sorgen verflogen wären. Wir dürfen jetzt nicht übermütig werden. Dass wir in der heftigen Korrektur Ende 2018 an unseren Aktienpositionen festhielten, hat sich ausgezahlt. Doch vergessen wir nicht: Die Wirtschaft befindet sich in der Spätphase des Aufschwungs, gross ist der Handlungsspielraum der Notenbanken nicht. Das Inflationsrisiko ist bei weiter ansprechender Konjunktur nicht ausgeschaltet, und das Schuldenniveau ist hoch. 2019 wird ein ordentliches Anlagejahr, hat mit den starken Monaten Januar und Februar das Soll aber bereits weitgehend erfüllt. Im besten Fall kommen noch gut zwei Prozentpunkte hinzu, für mehr wird die Kraft nicht reichen, im Gegenteil. Die Volatilität bleibt hoch, und mit Korrekturen ist stets zu rechnen.

Welches sind die Kurstreiber, nachdem sich die Zinsängste gelegt haben? - Für Impulse sorgen in diesem Jahr die Gewinne der Unternehmen. Sie sind im Durchschnitt besser als erwartet. Das haben die jüngsten Zahlen gezeigt, und die Gewinne der gut geführten und stark positionierten Gesellschaften werden weiter steigen. Das hilft dem Markt, wobei die positiven Nachrichten inzwischen doch ziemlich eingepreist sind und es schwierig wird, weitere namhafte Kursfortschritte zu erzielen.

Was könnte die Überraschung des Jahres an den Finanzmärkten sein? - Mit einer überraschenden Bewegung rechne ich am ehesten am Devisenmarkt. An der Währungsfront herrscht schon längere Zeit verdächtige Ruhe.

Wie lautet Ihr Szenario? - Dass der Dollar schwächer wird und der Euro stärker.

Was wäre der Auslöser? - Eine Abschwächung des US-Wachstums und eine Beschleunigung in Europa. Der Grund dafür ist der Export. Europa ist der Hauptprofiteur, wenn es im Handelsstreit zwischen den USA und China zu einer Einigung kommt, neben China, wo die Regierung alles unternimmt, um der Konjunktur wieder Schwung zu verleihen. Das würde das Investitionsklima weltweit entspannen und käme vorab Exportnationen wie Deutschland zugute. In Europa setzen wir vor allem auf Industrieaktien.

Und in den USA? - Da gefallen uns die grossen Technologiewerte, zum Beispiel Alphabet, Microsoft und Netflix. Blockchain wird eine immer wichtigere Rolle in den Unternehmen spielen, die die Rückverfolgbarkeit ihrer Produkte und Dienstleistungen gewährleisten wollen. Zurzeit analysieren wir diesen Bereich, können aber noch keine Namen nennen.

Bevor wir weiter ins Aktienthema vordringen, eine Frage zu Gold: Ihre Bank hält in beiden Musterdepots, ausgewogen und Wachstum, 10% Gold, mehr als die meisten anderen Finanzhäuser. Weshalb? - Gold und Dollar entwickeln sich in der Regel gegenläufig. Das Edelmetall sehen wir deshalb als Absicherung gegen einen schwächeren Dollar. Generell ist Gold ein Versicherungsschutz und deshalb Teil einer soliden Diversifikation. Diese ist notwendig. Auch wenn es an den Märkten gegenwärtig anders aussieht – die Finanzwelt steht nicht auf gesunden Füssen.

Was ist das grösste Risiko für die Märkte? - Die Notenbanken kommen nicht umhin, zu einer vernünftigen Politik zurückzukehren. Null- bis Negativzinsen sind keine dauerhafte Lösung, sondern Symptombekämpfung. Eine weitere Wirtschaftsschwäche können sie hinausschieben oder mildern, aber nur, wenn die Inflation unter Kontrolle bleibt. Bleibt die Konjunktur einigermassen intakt, ist das keineswegs gesichert.

Im ausgewogenen Referenzportfolio ist der Baranteil mit 20% hoch. Steckt ebenfalls Vorsicht dahinter?

Wir verändern die Allokation nicht oft. Kunden bieten wir mit 20% Cash, 25% Obligationen, 30% Aktien, 15% alternativen Fonds und 10% Gold ein solides diversifiziertes Portfolio, das all unseren Hoffnungen und Befürchtungen Rechnung trägt. Wer mehr Risiko sucht, investiert in ein Portfolio mit höherem Aktienanteil. Im Wachstumsmodell erreicht er 60%.

Welche Aktienthemen ausser den schon genannten gefallen Ihnen? - Wir ziehen grosskapitalisierte Aktien den kleineren vor. Sie sind weniger volatil und erholen sich in einer Korrektur rascher als kleinere Werte. Unternehmen wie Novartis, Nestlé, SGS, Roche und Givaudan sind global stark verankert und erfolgreich unterwegs. Es gibt aber auch eine Reihe von Small und Mid Caps, die diese Kriterien erfüllen, gerade in der Schweiz, auf die wir grosses Gewicht legen.

Zum Beispiel? - Aktien familiengeführter Unternehmen mögen wir, strategisch langfristig und umsichtig geführt, Ems-Chemie, Straumann oder Idorsia zum Beispiel. Idorsia wurde bei der Übernahme von Actelion durch Johnson & Johnson herausgelöst und wird von der Besitzerfamilie weitergeführt. Sie hat noch keine marktreifen Produkte, aber eine attraktive Pipeline.

Gute Aktien sind teuer. Die Titel des Zahnimplantatherstellers Straumann, die Sie erwähnen, handeln mit einem KGV 2019 von fast 40. Lohnt sich der Kauf noch? - Nur weil eine Qualitätsaktie teuer ist, ist das kein Grund, sie nicht zu berücksichtigen. Qualität war noch nie billig und macht sich auf Dauer bezahlt. Genauso kauft man keine Aktie, nur weil sie billig ist. Das ist Spekulation, die Märkte sind nicht dumm.

Von Finanzaktien rieten Sie letztes Jahr ab. Und heute? - Es ist noch immer kein Sektor, den wir mögen, von Unternehmen in Teilmärkten abgesehen, wie beispielsweise Partners Group im weiter florierenden Private-Equity-Geschäft. Was die Grossbanken angeht, sind ihre Geschäftsmodelle weiterhin komplex, vielen externen Einflüssen ausgesetzt und die Aussichten damit schwer kalkulierbar. Besser ist die Visibilität unter den Versicherern, wo uns zum Beispiel Axa aus Frankreich gut gefällt.

Worauf setzen Sie sonst im Ausland? - Sehr positiv sind wir für den Luxussektor gestimmt, für die französischen Produzenten wie LVMH, Hermès, L’Oréal und Kering. Zu Kering gehören Marken wie Gucci und Yves Saint Laurent. In diesem Sektor kaufen wir weiter zu. Positiv beurteilen wir wie erwähnt auch Technologie. In Europa gehört SAP dazu. Selektiv gute Chancen räumen wir auch Energieunternehmen ein, so Royal Dutch/Shell als breit diversifiziertem Konzern und Air Liquide als erfolgreichem Anbieter im Erdgasgeschäft.

Was halten Sie von den Schweizer Luxuswerten Swatch Group und Richemont? - Auch sie gehören vor allem nach ihrer schwächeren Performance zu unseren Empfehlungen, obwohl wir die vorher erwähnten französischen Unternehmen klar bevorzugen. Ein wesentlicher Treiber für alle Luxustitel ist Asien, wo die Zahl der kaufkräftigen Kunden weiterhin stark zunimmt. Asiens Volkswirtschaften sind wirtschaftlich stabiler geworden und werden weiter wachsen. Der Appetit in der Bevölkerung auf westliche Luxusmarken ist gross. Legen sich noch die Wogen im Handelsstreit, setzt das zusätzliche Nachfrage frei. Richemont und vor allem Swatch Group könnten sich so etwas erholen.