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Amerikas langer Kampf um den Dollar

Geburt einer Nation: Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten markiert 1776 auch den Beginn der US-Währungsunion.

Keine Währung ist für die Finanzmärkte so wichtig wie der Dollar. Der Greenback ist nicht nur das Zahlungsmittel in der grössten Volkswirtschaft, sondern auch die Leitwährung der Welt. Auf allen fünf Kontinenten vertrauen Zentralbanken und private Finanzinstitute auf ihn. Im internationalen Handel misst er den Preis von Erdöl, Gold, Getreide sowie vielen anderen Gütern.

Diese Dominanz von König Dollar verschafft den Vereinigten Staaten wirtschaftlich enorme Vorteile. Der Weg zur amerikanischen Währungsunion war jedoch lang und holprig. Das zeigt ein Blick auf ihre Anfänge, als sie mit ähnlichen Problemen konfrontiert war wie heute Europa.

Die Geschichte des Dollars ist die Geschichte der ökonomischen und politischen Entwicklung Amerikas. Zur Gründungszeit der Republik gegen Ende des 18. Jahrhunderts zirkulieren als Zahlungsmittel Münzen der Kolonialmächte, vorab spanische Silbertaler. Das ändert sich, als der Kontinentalkongress zur Revolution gegen das britische Königreich aufruft und seine Truppen mit Papiergeld finanziert.

Kontinental-Dollar genannt, verlieren die neuen Geldscheine aber rasch drastisch an Wert. Das, weil immer mehr davon gedruckt wird und die Deckung höchst ungewiss ist. «Wertlos wie ein Kontinental», spotten Zeitgenossen, wobei der Ausdruck in den USA bis heute geläufig ist.

Als die Vereinigten Staaten am 4. Juli 1776 in Philadelphia ihre Unabhängigkeit erklären, sehen sie sich mit entsprechend grossen Finanzschwierigkeiten konfrontiert. Manche Bundesstaaten haben sich im Krieg tief verschuldet, die Währung ist praktisch wertlos, und der neue Staat hat kaum Kreditwürdigkeit. Um den Zugang zu den Kapitalmärkten zu öffnen, nimmt Alexander Hamilton als erster Finanzminister eine umfassende Restrukturierung vor.

Er überträgt die Schulden der Bundesstaaten auf die Regierung, die als Einkommensquelle das Recht auf nationale Zolltarife hat. Mit dem Coinage Act von 1792 wird der Dollar als offizielle Währung eingeführt und durch einen festen Silbergehalt definiert. Das Geldangebot kontrolliert die First Bank of the United States, die nach dem Vorbild der Bank of England konzipiert ist und zu den grössten Konzernen auf dem Kontinent zählt.

Widerstand aus dem Süden

«Die Gründung einer Währungsunion ist in erster Linie ein politischer Prozess», sagt Jeffry Frieden, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Harvard. «Rein technisch gesehen steht einer gemeinsamen Währung in der Regel wenig im Weg. Meist bestehen aber politische Hindernisse, weshalb der Prozess selten glatt und konfliktfrei verläuft», fügt er hinzu. «Das zeigt sich derzeit in Europa wie auch zu Beginn der Währungsunion in den USA.»

Steht heute die Europäische Zentralbank im Zentrum der Spannungen, ist es damals die First Bank. Einflussreiche Kongressabgeordnete aus dem ländlichen Süden wie Thomas Jefferson und James Madison begegnen ihr von Beginn weg mit Misstrauen. Aus ihrer Sicht dient eine zentralisierte Geldverwaltung primär den finanziellen Interessen des städtisch und industriell geprägten Nordens, wo mit Boston, New York und Philadelphia die grossen Finanzzentren sind. Als Kompromiss wird mit Washington deshalb ein Regierungssitz im Süden bestimmt.

Am Grundproblem ändert das wenig. Während die reichen, wirtschaftlich etablierten Bundesstaaten im Norden eine für Kreditgeber vorteilhafte Geldpolitik mit hohen Zinsen und geringer Inflation fordern, drängt der rasch expandierende Süden auf möglichst lockere Kreditbedingungen, die Investitionen und den Ausbau der Infrastruktur begünstigen. «Die USA verfügen bei der Gründung zwar über eine gemeinsame Währung und eine Zentralbank. Bald stellt sich jedoch heraus, dass diese Institutionen politisch nicht stabil sind», hält Frieden dazu fest.

Der Konflikt bricht offen aus, als der Kongress 1811 der First Bank die Erneuerung der Lizenz verweigert. Erst nach einem verlorenen Krieg gegen England und einem Schock an den Kreditmärkten wird fünf Jahre später mit der Second Bank of the United States ein Nachfolgeinstitut etabliert. Ihre Position stellt sich aber als noch schwieriger heraus, denn mit dem Ende der napoleonischen Kriege in Europa ändern sich die Rahmenbedingungen fundamental.

In London, Amsterdam und Paris gehen die Finanzmärkte wieder auf, wodurch der Handel zwischen den Kontinenten explodiert. Der Süden Amerikas wird zu einem Grossexporteur von Baumwolle, und die Landesgrenze dehnt sich in hohem Tempo nach Westen aus. Innerhalb von zwei Jahrzehnten verdoppelt sich die Bevölkerung nahezu auf 15 Mio. Einwohner. Die USA werden zu dem, was man heute als aufstrebenden Markt bezeichnen würde.

Die Second Bank, die eine eher konservative Geldpolitik betreibt, steht diesem Expansionsdrang im Weg. Es kommt zum Bankenkrieg, in dem sich die Befürworter lockerer Kreditbedingungen aus der dynamischen Peripherie und die Vertreter einer strengeren Linie aus den stabileren Wirtschaftszentren des Nordens bekämpfen.

Zu den grössten Gegnern der Second Bank zählt der Populist Andrew Jackson, der heute vom rechten Flügel der republikanischen Partei als Vorreiter des Widerstands gegen das «korrupte Establishment» gefeiert wird. 1828 zum Präsidenten gewählt, stellt er die Second Bank de facto ein, womit fortan jeder Bundesstaat seine finanziellen Angelegenheiten individuell regelt.

Banknoten aus dem 19. Jahrhundert: Obschon der Dollar bereits damals die Landeswährung Amerikas war, druckte zunächst jede Bank eigene Geldscheine.

Hochkonjunktur für Fälscher

«Das Resultat ist ein chaotisches System, in dem rund 10 000 verschiedene Banknoten zirkulieren», sagt der Historiker Stephen Mihm von der Universität Georgia. «Die Währung ist weiterhin der Dollar. Jede Bank druckt jetzt aber ihr eigenes Papiergeld, weshalb sein Wert erheblich variiert.» Das liegt daran, dass die Banken ihr Kapital mit den Anleihen des Bundesstaates hinterlegen müssen, in dem sie domiziliert sind. So handeln Dollarnoten von Finanzhäusern aus Bundesstaaten mit massvoller Budgetpolitik wie New York oder Massachusetts fast zum Nennwert.

In den stark verschuldeten Bundesstaaten des Südens ist das Vertrauen in die Banken und ihr Geld hingegen gering. «Auch haben Fälscher Hochkonjunktur», fügt Mihm hinzu. «Es werden daher wöchentlich Magazine publiziert, in denen die originalen Banknoten zur Authentifikation detailliert beschrieben sind und ihr realer Wert aufgelistet ist.»

Auf die Deregulierung des Währungssystems folgt bald der erste grosse Kreditexzess in den Vereinigten Staaten. Überall gehen Banken auf, das Volumen der ausstehenden Darlehen steigt in wenigen Jahren auf das Dreifache. An der Peripherie werden eifrig Strassen, Kanäle und Brücken gebaut, erste Eisenbahnlinien gehen in Betrieb.

Die Geldgeber – meist Investoren aus Europa – vertrauen darauf, dass bei einem Crash im Notfall die Regierung in Washington einspringen wird. Umso böser ist das Erwachen, als 1837 die Baumwoll- und die Landpreise kollabieren. An den Finanzmärkten bricht Panik aus, und die Wirtschaft fällt in eine schwere Rezession. Acht Bundesstaaten sowie das damalige Territorium Florida können ihre Schulden nicht mehr bedienen.

Anders als bei der Gründung der Republik gibt es dieses Mal keine staatliche Rettungsaktion. Die finanziell soliden Bundesstaaten weigern sich, die Rechnung für die anderen zu zahlen. «Bundesstaaten, die wie Alabama oder Mississippi in Konkurs gehen, müssen ihre Schulden daher selbst restrukturieren und das Vertrauen der Finanzmärkte mit einer disziplinierten Budgetpolitik zurückgewinnen», sagt Jeffry Frieden.

«Mit Blick auf die aktuelle Situation in Europa ist die Lektion daraus, dass Länder wie Griechenland, Irland, Spanien, Portugal und Italien selbst beweisen müssen, dass sie kreditwürdig sind. Ebenso hätten aber auch die Banken aus Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden Abstriche für ihre unverantwortliche Kreditvergabe machen müssen», meint der Experte.

Siegeszug des Greenback

Trotz der Kreditklemme bleibt eine Reform vorerst aus. Bewegung gibt es erst im Bürgerkrieg. Die Südstaaten fallen ab, womit es im Kongress keinen Widerstand mehr gegen eine Neuordnung des Finanzsystems gibt. Mit den Banking Acts von 1863/64 legt Präsident Abraham Lincoln die Grundlage für die heutige US-Währungsunion. Sie basiert auf einem nationalen Bankensystem mit einheitlichen Dollarmünzen und -noten, die das Schatzamt kontrolliert.

Um Fälschungen zu erschweren, wird die Rückseite der Scheine grün eingefärbt, woher die Bezeichnung Greenback kommt. Gegen Duplikate gehen zudem die Agenten des Secret Service vor, der mit der Zeit primär für den Personenschutz des Präsidenten verantwortlich wird.

Spannungen zwischen föderalistischen und zentralistischen Kräften bestehen bis heute. Trotz der Einheitswährung sind die Bundesstaaten in ihrer Budgetpolitik weitgehend unabhängig, was sich in der Kreditwürdigkeit spiegelt. Anleihen von Indiana, Nebraska oder Texas zum Beispiel werden mit der höchsten Bonität benotet. Im Fall von Illinois, Michigan oder Connecticut ist das Rating weniger erbaulich.

Auf nationaler Ebene etablieren die USA erst 1913 mit dem Federal Reserve eine echte Zentralbank. Weitere wichtige Schritte folgen in der Grossen Depression mit der nationalen Einlagenversicherung FDIC und staatlichen Sozialwerken wie Social Security. Durch das Bretton-Woods-System wird der Dollar nach dem Zweiten Weltkrieg zur globalen Leitwährung. Gemäss der US-Notenbank sind derzeit rund 1400 Mrd. $ in Münzen und Scheinen im Umlauf. Mindestens die Hälfte davon befindet sich im Ausland.