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Als die Landesbanken in den Strudel der Finanzkrise gerieten

Die IKB und die Landesbanken verspekulieren sich am amerikanischen Häusermarkt.

Die Vorbeben der US-Immobilienkrise erreichen den europäischen Kontinent im Sommer 2007. Die ersten Risse im Bankensystem zeigen sich an unerwarteter Stelle: In der Bredouille stecken zunächst nicht die internationalen Finanzkolosse, die an bester Lage am Paradeplatz in Zürich oder in der Canary Wharf in London residieren. Nein, das Drama beginnt in Düsseldorf und in Leipzig, wo die IKB Deutsche Industriebank und die Landesbank Sachsen ihren Hauptsitz haben.

Zum Verhängnis werden den beiden Finanzinstituten ihre Geschäfte mit US-Hypothekarpapieren. Im Zeitraffer spielt sich in Deutschland eine Mini-Bankenkrise ab, in deren Mittelpunkt die Landesbanken stehen.

Neue Spielregeln

«Die Krise des amerikanischen Hypothekarmarktes im Subprime-Bereich hat sich auf die IKB ausgewirkt.» Mit dieser kurzen Meldung der IKB vom 30. Juli 2007 wird es offiziell: Die Folgen der US-Immobilienkrise haben sich auf Europa ausgeweitet. Mitte August steht auch die Sachsen LB vor dem Bankrott. Sie sollte nicht die letzte Landesbank sein, die über ihre Verwicklungen am US-Häusermarkt stolpert. Die betroffenen Finanzhäuser sind alle in öffentlich-rechtlichem Besitz, für die Verluste aus der Finanzkrise müssen also die Steuerzahler aufkommen. Doch weshalb haben sie sich überhaupt auf die riskanten Geschäfte in Übersee eingelassen?

Der Auftrag der Landesbanken scheint  zunächst wenig Raum für Abenteuer zu lassen. Sie agieren als Hausbanken ihres jeweiligen Bundeslandes, indem sie etwa Landesanleihen emittieren. 2001 kommt es allerdings zu einer entscheidenden Veränderung: Die Landesbanken verlieren die Gewährträgerhaftung, die mit der Staatsgarantie für die Kantonalbanken in der Schweiz vergleichbar ist. Die Europäische Kommission wertet die Garantie als unerlaubte staatliche Beihilfe. 2005 wird der Entscheid wirksam.

Die Landesbanken geraten in Zugzwang: Dank der expliziten Staatsgarantie konnten sie sich bislang zu günstigen Bedingungen refinanzieren. Trotz dieses Vorteils gegenüber der Konkurrenz ist die Profitabilität aber gering. Mit dem Entzug der Spitzenbonität drohen die Finanzierungskosten nun zu steigen, und die Ertragsschwäche wird zum Problem – die Landesbanken brauchen neue Einnahmequellen. Sie nutzen die Übergangsfrist, bis die Garantie erlischt, und nehmen noch einmal günstig Geld am Kapitalmarkt auf. Die Finanzmittel fliessen auf die andere Seite des Atlantiks, wo Goldgräberstimmung am Immobilienmarkt herrscht.

Die kleinste der Landesbanken, die Sachsen LB, mischt ganz vorne mit. Sie gründet die Ormond Quay Funding mit Sitz in Irland, die mit sogenannten Asset Backed Commercial Papers (ABCP) handelt. Diese Kreditpapiere sind hauptsächlich durch amerikanische Hypotheken besichert. Solche Finanzvehikel erfreuen sich besonderer Beliebtheit, denn sie tauchen in der Bilanz der Banken nicht auf. So häuft die Sachsen LB bis Juli 2007 ABCP im Wert von rund 18 Mrd. $ an, das entspricht 23% der gesamten Vermögenswerte. In ähnlich grossem Ausmass ist lediglich noch die IKB aktiv, deren Mehrheitsaktionärin die staatliche Förderbank KfW ist.

Aber auch die BayernLB, die HSH Nordbank und die WestLB investieren über Gesellschaften in Irland, dem US-Bundesstaat Delaware oder auf den Cayman-Inseln in die spekulativen Papiere. Die Provinzbanken lassen mit ihrem Engagement selbst die internationale Konkurrenz hinter sich. 2007 sitzen Europas Finanzhäuser auf besicherten Hypothekarpapieren im Wert von über 600 Mrd. $. Rund ein Viertel davon liegt bei deutschen Banken, schätzt Moody’s Investor Service.

Teures Abenteuer

Die schlummernde Gefahr bleibt lange unentdeckt. Die Wende kommt schliesslich über Nacht: Am Freitag, 27. Juli 2007, will die Deutsche Bank Kreditlinien der IKB nicht mehr verlängern. Sie ist besorgt, dass die Rhineland Funding Capital, über die die IKB ihr ABCP-Geschäft abwickelt, wegen der steigenden Kreditausfälle am US-Immobilienmarkt in Schwierigkeiten gerät. Um einen Kollaps der IKB zu verhindern, muss die KfW einspringen. Noch am selben Wochenende schnürt sie mit der Hilfe der Bundesbank ein Rettungspaket über 3,5 Mrd. €. Bundesbank-Chef Axel Weber gibt aber Entwarnung: «Sorgen um eine Bankenkrise in Deutschland sind unbegründet. Es handelt sich um ein spezifisches Problem der IKB.»

Doch bereits zwei Wochen später steht die Sachsen LB am Abgrund. Auch ihr droht die Insolvenz. Am 17. August stellen ihr Landesbanken und Sparkassen eine Kreditlinie über 17,3 Mrd. € zur Verfügung. Ende August wird der Notverkauf der Sachsen LB an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) beschlossen. In den folgenden Monaten müssen die HSH Nordbank, die BayernLB, die WestLB und die LBBW mit Bürgschaften und Garantien über Wasser gehalten werden. Sie zapfen zudem den Rettungsfonds Soffin an, der vom Bund im März 2008 lanciert wird. Insgesamt erhalten deutsche Banken von 2008 bis 2015 staatliche Finanzhilfe von mehr als 80 Mrd. € – im europäischen Vergleich ein Spitzenwert.

Bereits 2008 verkauft die KfW ihre Beteiligung an der IKB an den Private-Equity-Fund Lone Star. Von den elf Landesbanken, die vor der Finanzkrise existierten, bestehen aktuell noch sechs unabhängige Institute. Die Altlasten aus der Finanzkrise belaufen sich dabei noch immer auf rund 60 Mrd. €. Die schwache Rentabilität bleibt ein Kritikpunkt, und die Forderungen nach einer einzigen, übergeordneten Landesbank reissen nicht ab.

Heute unterstehen die Landesbanken der Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB). Entsprechend mussten sie sich dem Stresstest im Oktober 2014 unterziehen. Zu den Sorgenkindern zählten die IKB und die HSH Nordbank – sie erfüllten die Kapitalanforderungen knapp.