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Aktien verlangen ruhig Blut

Nur wer mit Risiken umgehen kann, sollte sie auch eingehen, sei es beim Kauf von Aktien oder bei Sportarten wie dem Höhlentauchen.

Anlagen ohne Risiko gibt es nicht. Das gilt für Aktien, Obligationen, Rohstoffe oder Währungen. Nur wer die damit verbundenen Risiken richtig einschätzt, kann langfristig mit der Performance seiner Investitionen zufrieden sein. «Finanz und Wirtschaft» untersucht die wichtigsten Anlagerisiken im Rahmen einer Serie. In einem ersten Teil werden die Aktienrisiken analysiert und anhand eines Beispiels aufgezeigt, wie diese verhindert werden können.

Viktor Vorsichtig ist richtig gelegen. Um die Jahrtausendwende, als die ganze Welt von Technologie und Internet sprach, investierte er in Aktien des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé. Seine Motivation war einfach: Er war überzeugt, dass das Unternehmen mit dem Kapselkaffee Nespresso ins Schwarze getroffen hatte. Er erinnert sich, wie Leute Schlange standen, um in einer Nespressoboutique Kaffee zu kaufen. Geniales Marketing, dachte sich der damalige Wirtschaftsstudent. Überzeugt, dass damit viel Geld verdient werden kann, begann er zu analysieren.

Drei Kapseln hatte er damals zerlegt. Fünf bis sechs Gramm Kaffee befanden sich in einer Kapsel. Das heisst aus einem Kilo Kaffee können bis zu 200 Portionen hergestellt werden. Verkauft wird eine Kapsel für 50 Rappen. Damit wird das Kilo Kaffee so für rund 100 Fr. verkauft. Im Detailhandel kostet dieselbe Menge fünf bis zwanzig Franken. Eine stattliche Marge.

Die Wette ist aufgegangen. Die Anzahl Mitarbeiter bei Nespresso stieg von 331 im Jahr 2000 auf aktuell über 13 500, das Unternehmen betreibt mittlerweile 700 Kaffeeboutiquen und ist in 76 Ländern präsent. Davon profitierte auch der Mutterkonzern Nestlé. Seit Vorsichtig in Nestlé-Valoren investiert ist, hat sich der Aktienkurs von 30 auf über 76 Fr. mehr als verdoppelt. Hinzu kommen Dividenden. Inklusive der Ausschüttung für 2017 summieren sich diese auf über 26 Fr. Das entspricht einer jährlichen Rendite von rund 8%.

Vier Strategien, um Anlagerisiken zu umgehen:

» Aktienquote - » Anlagehorizont - » Diversifikationseffekt - » Individuelle Einflussfaktoren

Aktienquote

Heute ärgert sich Vorsichtig, dass er nicht mehr Aktien gekauft hat. Allerdings ist er mit einer anderen Situation konfrontiert. Er ist älter, aus dem Studenten ist ein Unternehmensberater geworden. Er hat Geld gespart, erhält auf der Bank aber keinen Zins und würde deshalb gerne investieren, ein Portfolio aufbauen und dabei gezielt die Risiken steuern, sie verstehen und möglichst gut kontrollieren. Was muss er beachten?

Als Erstes fragt er sich, wie hoch denn der Aktienanteil eines Anlegers überhaupt sein soll? Als Faustregel gilt: 100 abzüglich das Alter des Investors ergibt den dem Alter entsprechenden Aktienanteil. Vorsichtig ist heute 38-jährig. Sein Aktienanteil am Gesamtvermögen sollte also bei 62% liegen. Dieser Wert ist aber nicht in Stein gemeisselt, vielmehr hängt er von persönlichen Faktoren wie der Risikotoleranz, der Risikofähigkeit und der Höhe des Vermögens ab. Also ob der Anleger das Risiko, das mit einer Investition einhergeht, tragen will und ob es seine finanziellen Möglichkeiten überhaupt erlauben.

Anlagehorizont

Eines ist klar: Investor Vorsichtig ist mit einem Aktienanteil von heute 20% deutlich unterinvestiert. Dass jüngere Anleger mehr Aktien halten können, liegt vor allem am längeren Anlagehorizont. Auf diesen Aspekt verweist auch Investorenlegende Warren Buffett in einem bekannten Zitat: «Wenn du eine Aktie nicht zehn Jahre lang halten möchtest, denk gar nicht erst darüber nach, sie auch nur für zehn Minuten zu halten.»

Dass Aktienanleger einen längeren Atem brauchen, liegt daran, dass der Kurs einer Aktie stark schwanken kann. Er ist abhängig von Faktoren wie der Gewinnentwicklung des Unternehmens, den Erwartungen oder der allgemeinen Börsenstimmung. Wer vorzeitig verkaufen muss, realisiert unter Umständen einen Verlust. Deshalb sind grössere Ausgaben wie Urlaub, eine neue Wohnzimmereinrichtung oder der Kauf eines Fahrzeugs im Anlagekonzept zu berücksichtigen. Dafür zur Seite gelegtes Geld sollte nicht in Aktien fliessen.

Vorsichtig plant den Kauf einer Immobilie. Dazu benötigt er Bargeld und ist deshalb tendenziell zurückhaltender. Aber dennoch gilt: je länger der Anlagehorizont, umso grösser die Chancen auf eine positive Entwicklung. Auf ein Portfolio übertragen heisst das, je mehr Aktien ein Anleger hält, umso stärker ist er von diesen Schwankungen betroffen, sollte aber längerfristig auch besser verdienen. Auf den Zusammenhang von Risiko und Rendite hat schon der Ökonom Harry Markowitz 1952 hingewiesen.

Dass es sich bei der Entwicklung von Aktienkursen nicht um eine Einbahnstrasse handelt, musste auch Anleger Vorsichtig mit seiner Nestlé-Position feststellen. Ende 2007 begann der Kurs zu bröckeln, und es dauerte bis Ende 2011, bis er sich wieder erholt hatte.

Diversifikationseffekt

Aber was, wenn sich Viktor Vorsichtig nicht für Nestlé, sondern für Aktien der Grossbanken UBS oder Credit Suisse entschieden hätte? Er hätte nichts verdient. Das Platzen der Technologieblase, Rezession, Finanz- und Eurokrise haben ihre Spuren hinterlassen. Die Kurse liegen auch heute noch deutlich unter dem Niveau aus dem Jahr 2000.

Das zeigt einen weiteren Aspekt, den Anleger berücksichtigen sollten: Nicht alle Eier in denselben Korb legen. Im Falle eines Sturzes gehen viele Eier kaputt, der Schaden ist gross. Das gilt auch für Investoren. Deshalb sollte das Anlagevermögen diversifiziert, also auf mehrere Investitionen verteilt werden. Das ist ähnlich wie beim Glücksspiel. Wer beim Roulette alles auf eine Zahl setzt, kann seinen Gewinn zwar verfünfunddreissigfachen, die Wahrscheinlichkeit beträgt allerdings nur 2,7% – entsprechend droht der Totalverlust mit 97,3%. Wer hingegen auf Rot setzt, und somit sein Risiko auf fast die Hälfte der Zahlen verteilt, hat zwar nur die Chance seinen Einsatz zu verdoppeln, das aber mit einer Wahrscheinlichkeit 48,6%.

Ähnlich sollten Anleger vorgehen und nicht alles auf einen, sondern auf mehrere Titel setzen. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Portfolio bereits ab 20 Aktien ausreichend diversifiziert ist. Das heisst, Vorsichtig würde besser fahren, wenn er in 20 Körbe je ein Ei legt. Wer auf eine einfachere Art diversifizieren möchte, kauft einen Fonds. Das sind Vermögen, bei denen verschiedene Anleger zusammen in einen Korb mit mehreren Aktien investieren. Den Anlegern gehört dann jeweils ein Teil des Fonds und somit ein Teil der zugrunde liegenden Aktien. So investiert ein Schweizer Aktienfonds in eine Vielzahl hiesiger Unternehmen, was die Risiken auf diese Valoren verteilt. Der Fonds übernimmt für den Anleger die Auswahl der Einzeltitel, das titelspezifische Risiko weicht so weitgehend dem Marktrisiko. Aber das kostet Gebühren, was die Rendite schmälert.

Allerdings ist Fonds nicht gleich Fonds. Die Vielfalt ist enorm und Anleger sind gefordert, indem sie festlegen, in welcher Region oder welchem Sektor sie investieren möchten. Bei der Fondsauswahl lohnt sich ein Blick auf die Performance des Fonds. Vermochte das Anlagevehikel seine Benchmark zu schlagen? Also die Referenz, gegen die er sich misst. Trifft dies zu, hat der Fondsmanager gut gearbeitet und kann dafür auch eine höhere Gebühr verlangen. Ist dies nicht der Fall, sollte auch ein ETF (Exchange Traded Fund) in Betracht gezogen werden. Ein Fonds, der  möglichst günstig einen Index umsetzt und gar nicht erst versucht, die besten Aktien auszuwählen. Der Vorteil besteht darin, dass Anleger wissen, dass sie die Performance des zugrunde liegenden Index erhalten. Managerqualitäten spielen dabei keine Rolle. In der Schweiz wäre das beispielsweise ein ETF auf den SMI (Swiss Market Index). Dieser kauft alle im SMI enthaltenen Werte gemäss ihrer Gewichtung. Der Investor erhält die Performance des SMI abzüglich der Kosten.

Individuelle Einflussfaktoren

Und jetzt? Was soll Viktor Vorsichtig tun? Trotz der seit Anfang des Jahres höheren Volatilität hat er sich entschieden: Er will seinen Aktienanteil erhöhen, vorerst auf 40%. Das liegt unter seiner Risikofähigkeit. Ausschlaggebend ist einerseits sein Naturell als vorsichtiger Investor, andererseits spielt er mit dem Gedanken, eine Immobilie zu erwerben und ist dazu auf Bargeld angewiesen. Er will zum jetzigen Zeitpunkt bewusst weniger Risiken eingehen.

Obwohl er mit seinen Nestlé-Aktien gut verdient hat, trennt er sich von einem Teil. Dadurch soll das Klumpenrisiko reduziert, das Portfolio breiter diversifiziert werden. Den Erlös und einen Teil seines Portfolios investiert er. Die USA und Europa deckt er mit ETF ab. Schwellenländer und kleinkapitalisierte Unternehmen gefallen ihm auch. Da setzt er aber auf einen aktiven Manager. Er hat das Gefühl, dass er besser fährt, wenn er das Geld einem Spezialisten anvertraut, der sich in der Region auskennt. Aber etwas fehlt ihm noch. Immer wieder denkt Vorsichtig an seinen Einstieg in Nestlé. Um etwas Schwung ins Portfolio zu bringen, kauft er ein paar LafargeHolcim, Roche und U-Blox. «Finanz und Wirtschaft» hat unlängst über deren Potenzial geschrieben.