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Aktien stehen im Bann der Zinsen

Die Wirtschaft läuft, die Zinsen steigen – das hat Folgen für den Aktienmarkt.

Die Zinsen steigen. Erstmals seit 2011 rentierten zehnjährige US-Staatsanleihen kürzlich über 3%. Die geldpolitische Normalisierung in den USA zeigt ihre Wirkung, und die US-Notenbank wird die Zinsen schrittweise weiter anheben. Denn die Konjunktur läuft weiter auf Hochtouren, wie zuletzt veröffentlichte Arbeitsmarktdaten aus den USA zeigen.

Die Geldpolitik wirkt sich auf den Aktienmarkt aus. Im Februar hatte die Angst vor schnell steigenden Zinsen Wallstreet und in ihrem Schlepptau die europäischen Börsen auf Talfahrt geschickt. Mittlerweile ist die Korrektur verdaut. Zudem hinken Europa und auch die Schweiz bei der Konjunktur- und Zinsentwicklung hinterher. Trotzdem bleibt die Sorge vor steigenden Zinsen allgegenwärtig. «Finanz und Wirtschaft» zeigt auf, auf welche Faktoren die Anleger im jetzigen Umfeld achten müssen.

Tiefere Risikoprämie

Für Remo Rosenau, Aktienanalyst bei der Helvetischen Bank, sind die steigenden Zinsen derzeit eines der grössten Risiken an der Schweizer Börse. Kurzfristig wirke sich das über die Aktienrisikoprämie aus: «Je höher der risikofreie Zinssatz, desto tiefer wird die erwartete Überrendite des Aktienmarktes gegenüber Anleihen. Das heisst der Aktienmarkt wird weniger attraktiv im Vergleich zu diesen risikolosen Anlagen.» Das werde entweder über  höhere Unternehmensgewinne oder durch tiefere Kurse kompensiert.

«Die kritische Schwelle dürfte in den USA bei 3,5 bis 4% für zehnjährige Treasuries liegen», sagte Philipp Bärtschi, CIO von Safra Sarasin, kürzlich im FuW-Interview. Wenn die Zinsen höher seien als das – nicht-inflationsbereinigte – Nominalwachstum, lohne es sich nicht mehr, Geld aufzunehmen und zu investieren.

Urs Beck, Manager des New Capital Swiss Select Equity Fund von EFG, sieht die Entwicklung der Zinsen weniger dramatisch. Er hält nichts von einem Wendepunkt, an dem die Anleger Aktien plötzlich abstossen und in Bonds investieren. Eine grosse Reallokation zwischen den Anlageklassen sei derzeit noch kein Thema. «In bestimmten Aktiensegmenten könnte die Nachfrage aber nachlassen», sagt Beck. Zum Beispiel bei den Dividendentiteln, die wegen ihrer hohen Ausschüttung von Ersatz für Anleihen gekauft worden sind.

Mittelfristig dürften auch die höheren Kapitalkosten dazu führen, dass sich steigende Anleihenrenditen negativ auf die Unternehmen auswirken. Denn mit den Zinsen wird die Finanzierung teurer. In der Schweiz dürfte das negative Auswirkungen für kapitalintensive Geschäftsmodelle haben, beispielsweise von Telecom- und Stromkonzernen.

Insbesondere die Fremdkapitalkosten steigen. Für den Effekt ist die Finanzierungsstruktur der Gesellschaft entscheidend: Muss sie in den nächsten Jahren ihre Anleihen refinanzieren, wird sie das wohl zu einem höheren Zins tun müssen als zuletzt. «Im Moment refinanzieren sich Unternehmen, die neue Anleihen emittieren, aber immer noch erheblich günstiger im Vergleich zu den Bonds, die sie vor einigen Jahren ausgegeben haben», sagt Rosenau von der Helvetischen Bank.

Die teurere Fremdfinanzierung in der Schweiz dürfte bei kaum einem Unternehmen zum Problem werden, glaubt Panagiotis Spiliopoulos, Research-Leiter bei der Bank Vontobel. «Die Bilanzen sind sehr solide.» Es gibt aber einige Ausnahmen.

Durch den höheren risikolosen Zins steigen auch die Eigenkapitalkosten, gibt Beck von EFG zu bedenken. Bisweilen beschränkt sich der Zinsanstieg aber auf die USA. «Die meisten kleinen und mittelgrossen Unternehmen sind auf den europäischen Markt fokussiert, wo sich bisher bei den Zinsen nichts bewegt.»

Grossbanken profitieren

Operativ haben einige Branchen bei steigenden Zinsen einen Vorteil. Banken können auf der Aktivseite wieder mehr verdienen. «Insbesondere die Grossbanken, deren Aktiva zu einem grossen Teil in Dollar denominiert sind, dürften von den etwas höheren Zinsen in den USA profitieren», glaubt Spiliopoulos von Vontobel. Derweil zeige sich derselbe Effekt bei den Versicherern verzögert, da sie in der Regel langfristiger investiert sind und nur sukzessive in Anlagen mit höheren Zinsen umschichten.

Beck hält die operativen Vorteile, die sich aus dem Zinsanstieg ergeben, nicht für substanziell. «Die Nettozinsmarge dürfte relativ konstant bleiben.» Denn die Banken müssen die Duration auf der Aktiv- und Passivseite aus regulatorischen Gründen angleichen.

Noch ist die Wirkung der höheren Zinsen auf den Aktienmarkt überschaubar. In Europa und in der Schweiz erwartet der Markt derzeit keinen namhaften Renditeanstieg. Angesichts der verschiedenen Mechanismen, wie sich das Zinsniveau auf Unternehmen auswirkt, tun Anleger aber gut daran, ihr Portfolio nach zinssensitiven Aktien zu überprüfen.

Texte zum Thema:

  1. » Ersatz für Anleihen

  2. » Kapitalkosten

  3. » Profitables Zinsgeschäft

Ersatz für Anleihen

Steigen die Zinsen, verlieren Aktien relativ zu Anleihen an Attraktivität. Das ist eine weitverbreitete Theorie. Allerdings spielen oft auch unternehmensspezifische Faktoren eine Rolle. Dividendentitel dürften überproportional von diesem indirekten Effekt betroffen sein. Unternehmen, die in den letzten Jahren einen Grossteil des Gewinns ausgeschüttet und ihre Dividende ständig erhöht haben, galten im Niedrigzinsumfeld als Bondersatz. Diese Nachfrage dürfte im Umfeld steigender Zinsen zurückgehen.

Zu den grössten Dividendenzahlern gehören die Pharmakonzerne Roche und Novartis. Die Ausschüttungsquote gesteigert hat Nahrungsmittelmulti Nestlé, obwohl das Gewinnwachstum im langfristigen Vergleich bescheiden war. Der Aktienkurs stieg vergangenen Dezember auf ein Allzeithoch. Doch jetzt hat das Momentum nachgelassen. Auch Swisscom stehen seit Anfang Jahr unter Druck. Das Telecomunternehmen gilt als sehr solide – und als Garant für eine hohe Dividendenrendite.

Kapitalkosten

Mit den Zinsen steigen auch die Finanzierungskosten der Unternehmen. Zum Problem wird das vor allem für Gesellschaften, die hoch verschuldet oder deren Anleihen mittelfristig fällig sind. Zu dieser Kategorie gehört Aryzta. Zuletzt standen die Nettoschulden des Backwarenherstellers bei 1,62 Mrd. €. Fast ein Fünftel davon muss bis 2020 refinanziert werden. Der Stromkonzern Alpiq hat seine hohe Verschuldung teilweise abgebaut. Mit gut 0,5 Mrd. Fr. waren Ende 2017 zudem mehr als zwei Drittel davon kurzfristiges Fremdkapital. Trotz Massnahmen zur Senkung der Verschuldung ist auch die Verschuldungsquote von Dufry noch relativ hoch. Ratingagenturen beurteilen die Kreditqualität des Detailhändlers deswegen als Ramsch – das macht die Fremdfinanzierung vergleichsweise teuer.

Einzelne Unternehmen haben sich noch günstiges Kapital gesichert. So hat der Frachtlogistiker Ceva Logistics durch den Börsengang seine Finanzkosten auf einen Schlag deutlich gesenkt. Zudem wurden mit den Mitteln Schulden getilgt, wodurch der Verschuldungsgrad markant tiefer ausfällt.

Profitables Zinsgeschäft

Bei Finanzinstituten gehört das Zinsgeschäft zu den wichtigsten Ertragspfeilern. Der Erfolg hängt vom Unterschied zwischen dem Zinsertrag auf der Aktivseite und dem Zinsaufwand auf der Passivseite ab. Diese Zinsmarge ist in den letzten Jahren wegen der fallenden Renditen und Negativzinsen stark unter Druck geraten. Dank der steigenden Zinsen könnte die Marge aber wieder zunehmen.

Besonders Grossbanken wie die UBS, bei der rund 40% der Anlagen in Dollar denominiert sind, spüren den Effekt. Die Versicherer profitieren nur verzögert von den steigenden Zinsen, weil sie ihr Geld in der Regel längerfristig angelegt haben. Gerade Lebensversicherer wie Swiss Life könnten aber einen psychologischen Vorteil haben. «Eine höhere Verzinsung auf den Policen lässt sich dem individuellen Kunden besser verkaufen», sagt Beck von EFG. Denn die Menschen schauten in der Regel auf den Nominalzins, anstatt die Inflation miteinzurechnen.