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«Aktien spielen in einer eigenen Liga»

Für den Anlageexperten Philipp Vorndran gibt es zurzeit keine attraktivere Anlageklasse als Aktien.

Herr Vorndran, wie legt ein Investor im Umfeld von Niedrigstzinsen und verhaltenen Wachstumsaussichten sein Geld an? - Es gibt im aktuellen Umfeld keine attraktivere Anlageklasse als Aktien. Selbst wenn viele Investoren meinen, nach der kräftigen Hausse sei die Zeit reif für eine Korrektur, und man solle Gewinne mitnehmen – relevant ist allein die Bewertung und nicht das nominelle Kursniveau. Wenn nach den Gewinnmitnahmen nicht schnell der Crash kommt, muss man zurück in die Aktien, dann aber zu noch höheren Kursen, oder man findet nicht zurück in den Markt.

Ist Cash keine Alternative, zumindest als vorübergehende Lösung? - Bei einem Anlagehorizont bis zu drei Jahren ist Cash vernünftig, weil alle anderen Anlagen Schwankungsrisiken haben. Wer länger Zeit hat, für den haben Aktien mit Abstand das beste Chancen-Risiko-Verhältnis. Wir sind überzeugt, dass die Zinsen noch lange niedrig bleiben.

Was spricht dafür? - Viele Gründe: die kräftig gefallenen Rohstoffpreise, Inflationsraten unter dem Ziel der Notenbanken, der Abwertungswettlauf und die Notwendigkeit, die horrenden Staatsschulden möglichst günstig zu finanzieren. In Europa und in Japan hat die Phase des billigen Geldes erst richtig begonnen, und falls der Euro zum Dollar unter 1.15 €/$ sinkt und in Richtung Parität tendiert, wird auch die US-Notenbank hellhörig werden und könnte ihre Zinserhöhungspläne verschieben. Und selbst wenn sie an der Zinsschraube dreht, ist das noch lange nicht schlecht für Aktien. Sie spielen in einer eigenen Liga.

Verargen Sie es Anlegern, die Aktien für überteuert halten? - Nominal erscheinen sie teuer. Real und relativ zu anderen Anlagen sind sie es nicht – das ist der einzige Bewertungsmassstab, der zählt. Flossbach von Storch kauft keine Indizes, wir investieren in gute Unternehmen. Die Alternative zu Nestlé mit einer soliden langfristigen Dividendenrendite um 3% sind Schweizer Staatsanleihen mit einer Rendite von maximal 0,2% bei zehnjährigen Papieren oder Anleihen erstklassiger Unternehmen mit einer Rendite von unter 1%. Mit anderen Worten: Der Nestlé-Kurs kann im Jahr 2% fallen, und die Aktie rentiert immer noch besser als eine Obligation guter Bonität. Das ist eine krasse Veränderung gegenüber dem, was wir in den letzten vierzig bis fünfzig Jahren gesehen haben.

Eine neue Epoche? - Selbst bei gleichbleibendem Kursniveau wird man fürs Aktienrisiko abgegolten, und das nicht zu knapp. Ich frage mich, wann die Sparer angesichts von Nullrendite auf dem Konto ihr Geld von der Bank abheben, denn theoretisch sollte «null minus die Schliessfachgebühr» die Schmerzgrenze sein.

Die Weltkonjunktur dümpelt, was zusammen mit Deflationsängsten in Europa und der monetären Geldflut mitverantwortlich für die niedrigen Zinsen ist. Machen Sie sich keine Sorgen, dass die Unternehmensgewinne sich abflachen? - Unsere kritische Einstellung zur wirtschaftlichen Situation in der Eurozone ist bekannt, und wir glauben auch nicht, dass die USA schon zu einem längeren selbsttragenden Aufschwung gefunden haben. Auch in Japan und in vielen Schwellenländern gibt es 2015 weiter Gegenwind. Es gibt jedoch nicht zu unterschätzende Faktoren, die positiv auf die Unternehmensgewinne wirken.

Das sind? - Allen voran die extrem günstige Finanzierung.  Noch selten konnten sich grössere Unternehmen so billig finanzieren. Die niedrigen Kapitalkosten kompensieren nicht selten langsamer wachsende Erträge und bieten Raum für höhere Dividenden und/oder Aktienrückkäufe. Die Massnahmen der Notenbanken sind viel wichtiger für uns Investoren als Wachstums- und Gewinnaussichten.

Am Ende des Tages braucht es für eine nachhaltig gesunde Wirtschaft Investitionen. Gibt es Silberstreifen am Horizont? - Wachstum per se ist kein Selbstzweck. Sonst wäre die Schweiz am Ende zubetoniert. Die Notenbanken strengen Nominalwachstum an, um die Schuldenquoten im Zaum zu halten. Wir Bürger haben zwar ebenfalls Interesse an einem qualitativ hochwertigen Wachstum und an Geldwertstabilität. Um das zu erreichen, müssen wir temporär eventuell aber auch Phasen einer Rezession akzeptieren, die mit Strukturverbesserungen in einer Volkswirtschaft einhergehen können. Wir müssen uns manchmal schon fragen, in wessen Interesse ist, was die Politik erzählt.

Weil Verluste sozialisiert werden, geht uns der Staatsschuldenberg durchaus etwas an. - Ohne Frage. Aber die Mehrheit der Bürger interessiert sich leider nicht wirklich dafür. Wer ist sich schon bewusst, dass Griechenland de facto bereits ein Schuldenschnitt von 60% gewährt wurde, durch Streckung der Laufzeiten und Zinsreduktion. Japan mit einer Staatsschuld von 250% des Bruttoinlandprodukts benötigte einen Schuldenschnitt von 75%, um zu einer langfristig tragbaren Schuldenquote zurückzufinden. Bei einem solchen Schnitt wäre das japanische Bankensystem platt. Da sind – wie in Europa – scheinbar schmerzlose, dauerhafte Nullzinsen einfacher zu vermitteln. Die Regierung Abe weiss natürlich um die Folgen und treibt die Pensionskassen zur internationalen Diversifikation aus japanischen Staatsanleihen auch in Aktien an. Die Regierungspapiere landen bei der Notenbank. Am Ende könnten alle Staatsanleihen den Notenbanken gehören und dann im Schredder landen.

Auch die EZB steht vor dem Kauf von Staatsanleihen. Wie beurteilen Sie diesen Schritt? - Die Politik hat die EZB dazu verdonnert, den Euro mit allen Mitteln zu erhalten. Sie kann gar nicht anders, als die Zinsen niedrig zu halten, statt dass die Politik strukturelle Hürden, etwa am Arbeitsmarkt, aus dem Weg räumt. Der Euro ist ein charmantes Instrument für den Intereurozonehandel, für den Tourismus und Ähnliches. Aber wegen der stark unterschiedlichen Strukturen der europäischen Volkswirtschaften ist er nur dann langfristig überlebensfähig, wenn die Vereinigten Staaten von Europa kommen. Das ist aus heutiger Sicht wenig realistisch.

In den USA hat das Quantitative Easing gewirkt, die Wirtschaft wächst. Wie wird es in Europa sein? - Was niedrige Zinsen und einen schwächeren Euro betrifft, ja. Mit Blick auf die festgefahrenen Strukturen und das grosse Wirtschaftsgefälle im Euroland sind wir skeptisch gestimmt. Und bei den ohnehin schon tiefen Zinsen ist für die EZB nur noch wenig zu gewinnen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass später Unternehmens-, Wandelanleihen und sogar Aktien hinzukommen. Die Schweizerische Nationalbank erwirbt aus einem anderen Grund jetzt schon bis zu einem gewissen Grad Aktien, um ihre hohen Devisenreserven, die aus der Verteidigung des Euromindestkurses stammen, zu diversifizieren. Das ist vernünftig. Statt einer Goldinitiative hätte ich in der Schweiz eine Aktieninitiative lanciert. Warum kaltes Edelmetall, wenn es erstklassige Unternehmen gibt, die ebenfalls Sachwertcharakter haben und jährlich eine Gewinnrendite von 4 bis 6% aufweisen? Das ist doch genial.

Zurück zur Eingangsfrage: Wie gestalten Sie das optimale Portfolio? - In einem Depot ohne Restriktionen – wenn der Kunde sagt, macht, was ihr unter Risiko-Rendite-Aspekten für sinnvoll haltet – hätten wir knapp drei Viertel in Aktien, circa 10% in physischem Edelmetall und den Rest in bar und länger laufenden Obligationen. Am längeren Ende gibt’s verschiedentlich noch Gewinnpotenzial.

Also doch auch Gold? - Wie die Staaten ihre Schulden in den Griff bekommen wollen, erinnert oft mehr an ein Ponzi-Schema als an nachhaltige Strukturreformen. Wie das Endspiel ausgeht, weiss niemand. Deshalb eine Versicherung, Gold also als Währung der letzten Instanz.

Wie positionieren Sie sich im Aktienteil? - Wir starten immer mit einem weissen Blatt Papier und notieren darauf die Unternehmen, die unseren Qualitätsansprüchen genügen, egal, ob eine Aktie in einer Benchmark enthalten ist oder nicht. Wir gewichten auch nicht nach Ländern. Wir glauben nicht, dass erstklassige Titel wie Nestlé mit einem KGV von 20 teuer sind. Angesicht einer langen Phase niedriger Zinsen und teils extrem hoher Bewertungen bei Immobilien und anderen Realwerten können wir uns in 24 Monaten ein KGV von Qualitätsaktien von 25 und darüber sehr gut vorstellen.

Was ausser Nestlé gefällt Ihnen? - Eine ganze Menge guter Unternehmen finden wir immer noch im IT-Bereich, Qualcomm, Microsoft, auch eBay. Solide Qualität zu vernünftigem Preis gibt’s auch im klassischen Bereich des täglichen Konsums, Reckitt Benckiser oder mit einer gewissen zyklischen Komponente 3M. Auch Diageo, Swatch, Novartis und Roche, die mit ihren starken Marken wenig Gefahr laufen, dass ihnen die Konkurrenz Preise und Margen zusammenschlägt.